London (Reuters) – In einer äußerst knappen Entscheidung hat die Notenbank in London den Leitzins zum dritten Mal im laufenden Jahr gesenkt. Die Bank of England (BoE) entschied am Donnerstag, ihn um einen Viertelpunkt auf 4,00 Prozent herunterzusetzen.
Der geldpolitische Ausschuss (MPC) hatte die geldpolitischen Zügel bereits im Februar und Mai gelockert und im Juni eine Pause eingelegt. Die erneute Zinssenkung ging nun mit fünf zu vier Stimmen nur mit einer hauchdünnen Mehrheit durch, wobei auch Notenbankchef Andrew Bailey mit Ja votierte. Das MPC-Mitglied Alan Taylor hatte in einer ersten Abstimmungsrunde sogar eine stärkere Senkung um einen halben Prozentpunkt befürwortet. Die BoE bekräftigte, sie werde bei weiteren Zinssenkungen weiterhin einen “schrittweisen und vorsichtigen” Ansatz wählen.
Sie ergänzte ihren Ausblick jedoch mit einem Signal, wonach ihre Zinssenkungsserie bald zu Ende gehen könnte. “Die Restriktivität der Geldpolitik war mit der Senkung des Leitzinses zurückgegangen”, heißt es darin. Somit ist nicht länger explizit die Rede davon, dass die geldpolitische Linie der BoE weiterhin restriktiv ist, also die Wirtschaft bremst.
Notenbankchef Bailey sagte, die Entscheidung, die Zinsen zum fünften Mal seit August vorigen Jahres zu senken, sei “ausgewogen”. Er gehe davon aus, dass sich die Leitzinsen weiterhin auf einem Abwärtstrend befänden: “Zukünftige Zinssenkungen müssen jedoch schrittweise und vorsichtig erfolgen”, sagte Bailey und wiederholte damit das Mantra der Zentralbank. “Wir gehen davon aus, dass der Zinssenkungsprozess noch nicht beendet ist”, erklärte Helaba-Experte Ralf Umlauf.
Manche Ökonomen erwarten, dass der erklärtermaßen schrittweise Ansatz der BoE bei Zinssenkungen noch vorsichtiger wird, da sich die Inflation als hartnäckiger als erwartet erweisen könne.
KONJUNKTURLAGE EINGETRÜBT
Die BoE sieht in den steigenden Lohnkosten einen Grund für die im europäischen Vergleich höhere Inflation im Land, die zuletzt auf 3,6 Prozent gestiegen ist – das höchste Niveau seit Januar 2024. Die Währungshüter erwarten jedoch, dass der Lohndruck mit der Zeit nachlassen wird. Der britische Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Monaten teilweise aufgrund einer von der Regierung beschlossenen Steuererhöhung für Arbeitgeber und vor dem Hintergrund des Handelskriegs von US-Präsident Donald Trump abgeschwächt.
Die Konjunkturlage auf der Insel hat sich nach einem starken Jahresauftakt ebenfalls eingetrübt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im April und Mai, was teilweise auf die schwächelnde Industrie zurückzuführen war.
Im ersten Quartal hatte die Wirtschaft noch kräftig zugelegt und mit einem Plus von 0,7 Prozent das Wachstum aller anderen großen Industriestaaten (G7) überflügelt. Ein Großteil dieses Wachstums dürfte jedoch auf Sondereffekte zurückzuführen sein. Dazu zählten das Auslaufen einer Steuererleichterung für einige Hauskäufe und vorgezogene Lieferungen in die USA, um den dort von US-Präsident Trump verhängten höheren Zöllen zuvorzukommen. Mittlerweile hat sich die Unsicherheit mit Blick auf den transatlantischen Handelsstreit verringert. Großbritannien war die erste große Volkswirtschaft, die ein Handelsabkommen mit den USA nach Ausbruch des Zollgewitters abschloss.
(Bericht von William Schomberg, David Milliken, Suban Abdulla, geschrieben von Reinhard Becker. redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)