Berlin/Washington (Reuters) – Die neuen US-Zölle von Präsident Donald Trump gegen die EU sind am Donnerstag in Kraft getreten.
Damit gilt für die meisten europäischen Exporte in die USA nun ein Satz von 15 Prozent. Das wird die Industrie Experten zufolge spürbar belasten. Anderen Staaten drohen zum Teil noch deutlich höhere US-Zölle, etwa Indien oder der Schweiz. Trump droht auch mit Zöllen von rund 100 Prozent auf Chip-Importe, allerdings soll es großzügige Ausnahmen für Unternehmen geben, die in den USA investieren oder dies planen.
“Die Anhebung des US-Basiszollsatzes auf 15 Prozent verschärft die Situation für viele international tätige deutsche Unternehmen deutlich”, sagte die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Helena Melnikov. Bislang galten zehn Prozent, vor Trumps Amtsantritt im Januar lag der Satz im unteren einstelligen Bereich. “Besonders problematisch: Die neue Zollregelung ist Teil eines Deals, dessen Details nach wie vor nicht ausverhandelt sind. Diese Unklarheit ist Gift für Planungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.” Einer DIHK-Umfrage zufolge zählt für 72 Prozent der deutschen Unternehmen mit US-Geschäft der erhöhte Zoll zu den größten Belastungen. Nur die handelspolitische Unsicherheit wird mit 80 Prozent noch häufiger genannt.
Die EU-Kommission hatte Ende Juli ein vorläufiges Handelsabkommen mit Trump geschlossen, um noch höhere Zölle abzuwenden. Nach Einschätzung vieler EU-Staaten verhandelte die Brüsseler Behörde dabei aus einer Position der Schwäche, wirtschaftlich und verteidigungspolitisch stark abhängig von den USA. So werden die USA deutlich weniger Zölle zahlen müssen für Exporte in die EU. Die EU hat sich zudem verpflichtet, über einen Zeitraum von drei Jahren US-Flüssiggas (LNG) im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. Private Firmen aus der EU sollen 600 Milliarden Dollar in den USA investieren.
RWE-Chef Markus Krebber kritisierte den Deal in einem “Handelsblatt”-Interview. Energie werde normalerweise dort eingekauft, wo es den günstigtes Preis gebe. “Wenn es hier jetzt harte Markteingriffe gibt, dann wird es am Ende auch für die europäischen Verbraucher und die Unternehmen teurer.” Es sei auch gar nicht möglich, dass die USA ihre Energieexporte in einem nennenswerten Umfang in den nächsten Jahren erhöhen könnten.
WIE STARK WERDEN DIE AUSWIRKUNGEN SEIN?
Börsen-Experte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners sagte, an den Aktienmärkten seien bislang keine großen Folgen in den Kursen enthalten. Sollten diese doch größer sein, könne das schnell zu einem Stimmungsumschwung führen. “Jetzt wird sich Schritt für Schritt zeigen, wie groß die Auswirkungen auf Handelsvolumen und Unternehmensgewinne sein werden.”
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte Ende Juli seine Prognosen für die Weltwirtschaft für dieses und nächstes Jahr leicht angehoben, weil die schlimmsten Szenarien im Handelsstreit bisher nicht eingetreten sind. Die deutschen Exporte in die USA gingen laut Statistischem Bundesamt im Juni um 2,1 Prozent zurück – auf 11,8 Milliarden Euro. Das war der dritte Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit Februar 2022. Insgesamt stiegen die deutschen Ausfuhren aber leicht um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat, vor allem wegen einer steigenden Nachfrage aus der EU und China.
WIDERSTAND AUS BRASILIEN
Stark betroffen sein dürfte Indien. Trump droht hier mit Zöllen von bis zu 50 Prozent. Das asiatische Land ist damit mit am stärksten betroffen. Die neuen US-Zölle sollen Ende August in Kraft treten.
Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva kündigte in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters Widerstand an. Er wolle in der Schwellenländer-Gruppe BRICS Überlegungen anstoßen, wie man Trumps Zölle gemeinsam angehen könne. Er wolle deswegen den indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi anrufen und danach Chinas Präsident Xi Jinping. Direkte Verhandlungen mit Trump lehnte Lula ab. Seine Intuition sage ihm, dass Trump nicht reden wolle. “Und ich werde mich nicht demütigen lassen.” Die US-Zölle auf brasilianische Waren wurden am Mittwoch auf 50 Prozent angehoben. Trump hat die neuen Zölle an die Forderung geknüpft, die Strafverfolgung des rechtsgerichteten ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro zu beenden. Trump glaube, er könne einem souveränen Land wie Brasilien Vorschriften machen, so Lula. “Das ist inakzeptabel.”
Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter kehrte unterdessen nach Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit den USA in Washington mit leeren Händen zurück. Das Schweizer Kabinett trifft sich nun am Donnerstag zu einer Sondersitzung. Die Alpenrepublik sieht sich mit einem US-Zollsatz von 39 Prozent konfrontiert.
(Bericht von Rene Wagner, Christian Krämer, Andrea Shalal, Paul Arnold und Brad Haynes, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)