– von Alexander Hübner
München (Reuters) – Die weltweiten Turbulenzen rund um die Einfuhrzölle in die USA gehen an Siemens nicht spurlos vorbei.
Die durch das Hin und Her ausgelöste Verunsicherung der Kunden, etwa aus der Autoindustrie und aus dem Maschinenbau, bremse die Erholung in der Automatisierungstechnik, dem einstigen Aushängeschild des Münchner Technologiekonzerns, sagte Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag. “Geopolitische Spannungen, schwankende Zölle und Handelsrestriktionen sind offenbar die neue Normalität.” Angesichts dessen habe Siemens im abgelaufenen dritten Quartal eine “robuste Leistung erzielt”. Das neue Zollabkommen zwischen der EU und den USA schaffe nun wieder mehr Planungssicherheit.
Für das Gesamtjahr rechnet Siemens mit Zoll-Belastungen von rund 300 Millionen Euro, knapp die Hälfte davon fiel im dritten Quartal an. Der operative Gewinn im Industriegeschäft ging von April bis Juni um sieben Prozent auf 2,82 Milliarden Euro zurück. Analysten hatten mit dem Rückgang allerdings gerechnet. Dabei schnitt die Gebäudetechnik-Sparte Smart Infrastructure mit einem operativen Milliardengewinn dank des anhaltenden Booms bei Rechenzentren besser ab als gedacht. Sie machte die enttäuschenden Zahlen in der Automatisierungs-Sparte Digital Industries wett.
Dort wurde der lange ersehnte Aufschwung in China aber von einem schwachen Software-Geschäft überschattet, das Siemens ausbauen will und deshalb mit zwei Zukäufen für 15 Milliarden Euro gestärkt hat. Es litt unter anderem an einem zeitweiligen Einfuhrverbot von Software zur Elektronik-Produktion (EDA) nach China. Von der leisen Hoffnung auf einen wenigstens stabilen Umsatz bei Digital Industries im Geschäftsjahr 2024/25 (per Ende September) hat sich Siemens verabschiedet. Realistisch sei ein Minus von drei bis sechs Prozent, sagte Finanzchef Thomas. Das Automatisierungs-Geschäft entwickle sich “seitwärts”. Die Sparte komme langsamer aus der Talsohle als gedacht. Siemens ist gerade dabei, dort weltweit knapp 4000 Stellen abzubauen. Das drückte den Gewinn der Sparte um 43 Prozent.
SIEMENS HOFFT AUF LÖSUNG IM ZOLLSTREIT SCHWEIZ/USA
Gelassen gab sich Thomas dagegen zum neu aufgebrochenen Zollstreit zwischen den USA und der Schweiz, wo die erfolgreiche Sparte Smart Infrastructure ihren Sitz hat. Vielleicht sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, sagte er. “Es wäre sträflich, wenn man bei jeder Einzel-Verlautbarung gleich in Aktivitäten ausbricht.” Gerade in der Gebäudetechnik produziere Siemens viel in den USA selbst. Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter war ohne konkrete Zusagen von einer USA-Reise zurückgekehrt, bei der sie die angedrohten Zölle von 39 Prozent abwenden wollte.
Das florierende Zug-Geschäft machte die Einbußen großteils wett. Der Konzernumsatz stieg im zweiten Quartal auf vergleichbarer Basis um fünf Prozent auf 19,4 Milliarden Euro. Die Bahntechnik-Sparte Mobility heimste Großaufträge für Züge aus Ägypten und den USA ein, die den Auftragseingang im Konzern um 28 Prozent auf 24,7 Milliarden Euro nach oben schnellen ließen. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 2,24 Milliarden Euro, der fünf Prozent höher ausfiel als ein Jahr zuvor. Dabei profitierte Siemens allerdings von positiven Sondereffekten von 368 Millionen Euro, unter anderem durch den Verkauf eines großen Teils des Flughafenlogistik-Geschäfts.
Auch im Gesamtjahr dürften bessere Zahlen bei Gebäude- und Infrastrukturtechnik die Schwäche der Automatisierungstechnik wettmachen. Busch sieht den Konzern auf Kurs zu den Prognosen für das Geschäftsjahr: einem Umsatzanstieg auf vergleichbarer Basis von drei bis sieben Prozent, einem Auftragseingang über dem Niveau des Umsatzes und einem bereinigten Ergebnis je Aktie von 10,40 bis 11,00 Euro.
Die Siemens-Aktie schwankte am Donnerstag um das Niveau des Vortages. Am späten Vormittag lag sie mit 220,65 Euro leicht im Plus. In den vergangenen zwölf Monaten hat sie 46 Prozent zugelegt.
(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)