– von Emma Farge und Holger Hansen
Genf/Berlin (Reuters) – Die mehr als zehntägigen Verhandlungen in Genf über ein weltweites Abkommen gegen Plastikmüll sind vorerst gescheitert.
Trotz einer Verlängerung bis in den frühen Freitagmorgen fanden die Vertreter von rund 180 Staaten erneut keine Einigung. “Genf hat nicht das Abkommen gebracht, das wir brauchen, um Plastikverschmutzung weltweit einzudämmen”, erklärte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Die Interessen lägen noch immer weit auseinander. Dabei geht es vor allem um die Forderung der Europäischen Union (EU) und kleiner Inselstaaten, die Herstellung von neuem Plastik zu begrenzen. Erdölproduzierende Länder und die USA lehnen dies bislang ab.
Die französische Umweltministerin Agnes Pannier-Runacher zeigte sich bei der Abschlusssitzung “wütend, dass trotz der ernsthaften Bemühungen Vieler und echter Fortschritte” keine greifbaren Ergebnisse erzielt worden seien. Mit Blick auf ölproduzierende Länder sagte der kolumbianische Delegierte Haendel Rodriguez, eine Übereinkunft sei “von einer kleinen Zahl von Staaten blockiert worden, die einfach keine Einigung wollten”. Ein US-Delegierter lehnte eine Stellungnahme ab.
KRITIK VON UMWELTORGANISATIONEN
Umweltorganisationen reagierten mit scharfer Kritik. “Die Öl-, Gas- und Chemieindustrielobbyisten haben in Überzahl in der Schweiz gewonnen – auf Kosten von uns allen”, erklärte Verena Graichen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Anstatt die globale Plastikflut einzudämmen, könne nun immer mehr Plastik aus Öl und Gas produziert werden. Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nannte das Ergebnis eine “herbe Enttäuschung”. Deutschland trage eine besondere Verantwortung und müsse nun auf nationaler Ebene handeln. Sie forderte eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einweg-Getränkeverpackungen.
Der Kunststoffverbrauch ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Der Großteil davon landet auf Deponien oder in der Müllverbrennung. Ohne Regulierung könnten Produktion und Verbrauch von Kunststoff nach Einschätzung der Industriestaaten-Organisation OECD von 2020 bis 2040 um 70 Prozent auf dann 736 Millionen Tonnen steigen. Nur sechs Prozent des Kunststoffs stammten dann aus recycelten Quellen.
Bereits im Dezember 2024 hatte eine Schlusskonferenz im südkoreanischen Busan keine Einigung gebracht. Der Abschluss war nun für Genf geplant. Im Kern geht es darum, ob ein Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik umfasst, von der Produktion bis hin zum Recycling. Ein allein auf Abfallmanagement reduziertes Abkommen ohne wirksame Ansätze zur Regulierung von Produktion und Konsum wäre aus EU-Sicht zu wenig.
FORTGANG DER VERHANDLUNGEN UNGEWISS
Der Verhandlungsleiter, Luis Vayas Valdivieso aus Ecuador, vertagte die Sitzung mit der Zusage, die Gespräche zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Erschöpfte Delegierte quittierten dies mit schwachem Applaus. Die eigentlich bis Donnerstag angesetzten Verhandlungen waren in die Verlängerung gegangen. Bis in die frühen Morgenstunden am Freitag wurde versucht, die Grundlage für ein Rahmenabkommen zu legen. Mehr als tausend Delegierte waren in Genf zur sechsten Verhandlungsrunde zusammengekommen.
Die Zukunft des Verhandlungsprozesses ist ungewiss. Während Flasbarth die Hoffnung äußerte, dass eine Einigung zu einem späteren Zeitpunkt gelingen könnte, zeigten sich andere skeptischer. “Es ist sehr klar, dass der derzeitige Prozess nicht funktionieren wird”, sagte ein Delegierter aus Südafrika. Flasbarth sagte, Deutschland und die EU würden weiterhin “Brücken bauen”. Dafür werde jedoch mehr Zeit benötigt. “Und vor allem muss der Verhandlungsprozess besser organisiert werden als dies in Busan und in Genf der Fall war”, kritisierte Flasbarth.
Weitere Knackpunkte in den Gesprächen in Genf waren der Umgang mit problematischen Chemikalien und die Finanzierung von Maßnahmen in Entwicklungsländern sowie die künftigen Abstimmungsregeln. Die EU will, dass sich Hersteller von Plastikprodukten an den Kosten beteiligen.
(Redigiert von Elke Ahlswede und Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)