Berlin/Paris/London (Reuters) – Führende europäische Politiker und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollen nach dem Gipfeltreffen in Alaska mit US-Präsident Donald Trump das weitere Vorgehen für einen Friedensprozess abstimmen.
Bundeskanzler Friedrich Merz wird dazu am Montag ebenso wie Selenskyj und andere europäische Staats- und Regierungschefs zu politischen Gesprächen in die US-Hauptstadt reisen, teilte die Bundesregierung am Sonntag mit. US-Außenminister Marco Rubio sagte, die USA würden den Europäern Sicherheitsgarantien für die Ukraine anbieten würden. Der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff erklärte, die USA könnten der Ukraine einen Nato-ähnlichen Schutz anbieten, und Russland habe einem solchen Plan erstmals zugestimmt.
Am Nachmittag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zunächst Selenskyj empfangen, bevor beide an einer Schalte der sogenannten “Koalition der Willigen” zur Ukraine-Unterstützung teilnahmen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte auf der Konferenz, die Lage sei nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Europa “äußerst ernst”. Er glaube nicht, dass der russische Präsident Wladimir Putin Frieden wolle. “Wenn wir heute vor Russland Schwäche zeigen, legen wir damit die Basis für künftige Konflikte”, sagte er.
Am Sonntag hatten mehrere europäische Spitzenpolitiker erklärt, dass sie am Montag wie Selenskyj im Weißen Haus sein werden. Neben Merz, Macron und von der Leyen gehören dazu etwa der britische Premierminister Keir Starmer, Nato-Generalsekretär Mark Rutte, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sowie der finnische Präsident Alexander Stubb.
MERZ SETZT AUF TRUMPS HILFE BEI SICHERHEITSGARANTIEN
Laut Bundesregierung wird es bei dem Gespräch mit Trump unter anderem um “Sicherheitsgarantien, territoriale Fragen und die fortdauernde Unterstützung der Ukraine in der Abwehr der russischen Aggression” gehen. Dazu gehöre auch die Aufrechterhaltung des Sanktionsdrucks. Merz wertete die Zusage von Sicherheitsgarantien Trumps als Fortschritt. Wenn das Friedensabkommen gelinge, “ist das mehr wert als ein Waffenstillstand, der möglicherweise über Wochen andauert, ohne weitere Fortschritte in den politischen, diplomatischen Bemühungen”, sagte der Kanzler.
Trump drängt dagegen auf eine schnelle Einigung und strebt ein baldiges Dreier-Treffen mit Selenskyj und Putin an. “Großer Fortschritt bei Russland” schrieb er am Sonntag, ohne Details zu nennen.
Vieles war nach dem Alaska-Gipfel von Trump und Putin noch unklar. Experten sehen Putin als taktischen Sieger. Denn er überzeugte Trump offenbar, von dessen bisherigen Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand abzurücken. Stattdessen soll nun direkt über eine Friedenslösung verhandelt werden. Das hat Russland seit langem gefordert. Die Europäer pochen dagegen auf eine vorangehende Waffenruhe, schon weil offenbar Gespräche auf Basis der bisherigen Frontlinie geführt werden sollen. “Wir brauchen echte Verhandlungen, was bedeutet, dass wir dort anfangen können, wo die Frontlinie jetzt ist”, sagt Selenskyj in Brüssel. Um über ein endgültiges Abkommen zu verhandeln, sei deshalb zunächst ein Waffenstillstand notwendig.
Die Europäer wollen Trump nach Angaben von EU-Diplomaten dazu bringen, dass er zu seinen Zusagen vom vergangenen Mittwoch zurückkehrt. Gegenüber den Europäern hatte er ebenfalls auf eine Waffenruhe gepocht und ansonsten mit neuen Sanktionen gegen Russland gedroht. US-Außenminister Rubio sagte am Sonntag, wenn es jetzt zu keiner Verständigung komme, könnten die USA ihre Sanktionen gegen Russland verschärfen. Trump hatte dies in Alaska jedoch derzeit als nicht nötig bezeichnet, obwohl Russland täglich seine Angriffe auf die Ukraine fortsetzt.
GIPFEL-TREFFEN BEENDET ISOLATION RUSSLANDS DURCH DEN WESTEN
Mit dem Gipfel in Alaska war es Putin gelungen, die diplomatische Isolation der westlichen Mächte zu durchbrechen. Moskau verbuchte das Treffen deshalb als Erfolg. “Drei Jahre lang haben sie über die Isolation Russlands gesprochen, und heute konnten sie sehen, wie der rote Teppich ausgerollt wurde, um den russischen Präsidenten in den USA willkommen zu heißen”, sagte etwa die russische Außenamts-Sprecherin Maria Sacharowa.
Kanzler Merz hatte Trump zwar nicht inhaltlich kritisiert, weil dieser keine Zusagen gegenüber Putin gemacht habe. Er kritisierte aber den Stil des Treffens, bei dem Trump dem auch mit einem internationalen Haftbefehl belegten Putin öffentlich applaudierte, den roten Teppich ausrollte und ihn demonstrativ in seiner Präsidenten-Limousine mitfahren ließ. Trump betonte zudem das Potenzial der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Russland, gegen das die EU wegen des Überfalls auf die Ukraine bereits das 18. Sanktionspaket verhängt hat.
(Bericht von Klaus Lauer, Andreas Rinke, Dave Graham, Julia Payne, Sudip Kar-Gupta, Andrew MacAskill und Layli Foroudi. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)