Israel prüft noch Hamas-Antwort zu Waffenruhe

Jerusalem/Kairo (Reuters) – Israel prüft Regierungskreisen zufolge noch die Antwort der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas auf einen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen.

Demnach geht es um eine 60-tägige Feuerpause und die Freilassung der Hälfte der noch in dem Küstengebiet festgehaltenen israelischen Geiseln, wie zwei Regierungsvertreter am Dienstag erklärten. Die Hamas hatte dem Vorschlag am Montag zugestimmt. Die Bemühungen um einen Stopp der Kämpfe hatten in der vergangenen Woche an Fahrt gewonnen, nachdem Israel eine neue Offensive zur Einnahme von Gaza-Stadt angekündigt hatte. Ägypten und Katar dringen auf eine Wiederaufnahme der indirekten Gespräche zwischen beiden Seiten über den von den USA unterstützten Plan für eine Waffenruhe.

Dem Vermittler Katar zufolge ähnelt der Vorschlag sehr einem früheren Plan des US-Sondergesandten Steve Witkoff, dem Israel zugestimmt hatte. Er sei “fast identisch”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Doha. Der Vorschlag sieht laut einem Hamas-Vertreter die Freilassung von 200 in Israel inhaftierten palästinensischen Strafgefangenen sowie einer ungenannten Zahl von Frauen und Minderjährigen vor. Im Gegenzug sollen zehn Hamas-Geiseln freikommen und die Leichen von 18 verstorbenen Geiseln übergeben werden. Zwei ägyptische Sicherheitsvertreter bestätigten diese Angaben. Sie fügten hinzu, die Hamas habe zudem von Israel die Freilassung Hunderter Gefangener aus dem Gazastreifen gefordert. Der Vorschlag umfasst zudem einen teilweisen Abzug der israelischen Streitkräfte und die Einfuhr von mehr humanitärer Hilfe in den Gazastreifen. Dort ist die Bevölkerung von 2,2 Millionen Menschen von einer Hungersnot bedroht.

Das UN-Menschenrechtsbüro warf Israel vor, zu wenig Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen und damit eine Hungersnot in dem umkämpften Palästinenser-Gebiet zu riskieren. “In den vergangenen Wochen haben die israelischen Behörden Hilfslieferungen nur in einem Umfang genehmigt, der bei weitem nicht ausreicht, um eine weitreichende Hungersnot abzuwenden”, sagte ein Sprecher des Menschenrechtsbüros. Die Gefahr einer Hungersnot sei ein “direktes Ergebnis der Politik der israelischen Regierung, humanitäre Hilfe zu blockieren”. Die für die Koordinierung von Hilfslieferungen zuständige israelische Militärbehörde Cogat erklärte, Israel unternehme “erhebliche Anstrengungen” bei der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen.

Anzeichen für eine baldige Waffenruhe gab es vor Ort nicht. Bei israelischem Beschuss und Luftangriffen wurden am Dienstag nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen mindestens 20 Palästinenser getötet. Israelische Panzer schlossen die Einnahme des Vororts Seitun am Rande von Gaza-Stadt ab und beschossen weiterhin das benachbarte Viertel Sabra. “Es war eine der schlimmsten Nächte in Sabra und Gaza-Stadt, die Explosionen waren in der ganzen Stadt zu hören”, sagte die 54-jährige Anwohnerin Nasra Ali. “Ich wollte mein Haus verlassen, als ich von einer möglichen Waffenruhe hörte. Ich bleibe vielleicht ein oder zwei Tage, aber wenn nichts passiert, werde ich mit meinen Kindern fliehen”, sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters. Israel plant, die Kontrolle über ganz Gaza-Stadt zu übernehmen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird voraussichtlich in Kürze Beratungen über den Waffenruhe-Vorschlag einberufen. Er steht unter dem Druck seiner rechtsextremen Regierungspartner, die eine Feuerpause mit der Hamas ablehnen. Die Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir haben gefordert, den Krieg bis zur Niederlage der Hamas fortzusetzen und den Gazastreifen zu annektieren. Zugleich forderten allerdings am Sonntag Zehntausende Israelis bei einer der größten Demonstrationen seit Kriegsbeginn eine Einigung zur Beendigung der Kämpfe und zur Freilassung der Geiseln.

Die letzte Runde der indirekten Gespräche war im Juli gescheitert. Zuletzt klafften die Forderungen beider Seiten weit auseinander. Israel fordert die Entwaffnung der Hamas und den Abzug ihrer Anführer aus dem Gazastreifen. Diese Bedingungen hat die Hamas bislang öffentlich zurückgewiesen. Der Krieg begann am 7. Oktober 2023, als Extremisten unter Führung der Hamas nach Israel eindrangen, dort 1200 Menschen töteten und 251 Geiseln nahmen. Bei der darauffolgenden israelischen Offensive im Gazastreifen wurden mehr als 61.000 Palästinenser getötet und der größte Teil der Bevölkerung aus ihren Häusern vertrieben.

(Bericht von Maayan Lubell, Nidal al-Mughrabi, Alexander Dziadosz, Ahmed Shalaby, Andrew Mills und Ahmed Salem, geschrieben von Christian Götz.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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