EU und USA setzen Handelsdeal um – 15 Prozent für Autos aus Europa

– von Andrea Shalal und David Lawder und Philip Blenkinsop

Washington/Brüssel (Reuters) – Die USA und die Europäische Union haben sich auf ein Rahmenabkommen zur Umsetzung des Handelsdeals von Ende Juli verständigt.

Die Einigung bringt der europäischen Autobranche die lang ersehnte Klarheit, dass sie zukünftig mit einem US-Zoll von 15 Prozent kalkulieren kann – statt der derzeit geltenden 27,5 Prozent. Dies soll nach EU-Angaben möglichst noch rückwirkend zum 1. August greifen. Gegenüber dem früheren Satz von 2,5 Prozent ist dies aber immer noch eine klare Belastung, zumal die USA für Exporte von Industriegütern in die EU gar nichts zahlen werden. Die Wirtschaft mahnte eine schnelle Umsetzung an.

EU-Handelskommissar Maros Sefcovic sagte Journalisten in Brüssel, die Vereinbarung bringe Vorteile für beide Seiten. “In vielen Sektoren, darunter auch in der Automobilindustrie, kommt es zu Erleichterungen.” Die Alternative wäre ein Handelskrieg mit der weltgrößten Volkswirtschaft gewesen. In der EU wären dadurch rund fünf Millionen Jobs in Gefahr gewesen. Ähnlich argumentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie schrieb auf X, nur die EU habe einen Zoll-Deckel mit den USA ausgehandelt. Das schütze beispielsweise Pharma- und Halbleiterfirmen, denen mit noch höheren Sätzen gedroht wurde. Bei einzelnen Produkten gebe es künftig zudem gar keine gegenseitigen Zölle mehr, etwa bei Flugzeugen, Korken oder Nachahmer-Medikamenten.

Die schriftliche Rahmenvereinbarung von EU und USA umfasst vier Seiten. Vor knapp vier Wochen hatten US-Präsident Donald Trump und von der Leyen in Schottland den Deal lediglich mündlich besiegelt. Der US-Zoll von 15 Prozent soll für die meisten europäischen Produkte gelten. Ein hochrangiger EU-Vertreter sagte, weitere Ausnahmen sollten noch verhandelt werden.

AUTOBRANCHE: LANGFRISTIG MÜSSEN DIE ZÖLLE RUNTER

Der deutsche Automobilverband VDA sprach von einem guten Zeichen, weil Unternehmen jetzt mehr Klarheit hätten. Die Belastungen seien zuletzt in die Milliarden gegangen. “Langfristig muss das Ziel sein, hier wieder zu einem geringeren Zollsatz zu kommen”, forderte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. BMW teilte mit, die Vereinbarung müsse so schnell wie möglich finalisiert und in Kraft gesetzt werden.

Ein hochrangiger Regierungsvertreter in Washington sagte, die europäischen Autobauer könnten “hoffentlich innerhalb von Wochen” mit einer Entlastung rechnen. Der Schritt ist daran geknüpft, dass Brüssel die notwendigen Gesetze zur Umsetzung der versprochenen Zollsenkungen für US-Waren angeht. Dabei reicht es dem US-Vertreter zufolge aus, dass die Gesetzgebung eingebracht wird, auch wenn sie noch nicht verabschiedet ist. Die Entlastung solle am ersten Tag des Monats in Kraft treten, in dem die EU die Gesetzgebung einleite. Volkswagen forderte die EU-Kommission auf, kurzfristig aktiv zu werden, um der Automobilbranche rückwirkend zum 1. August die in Aussicht gestellten 15 Prozent zu sichern.

“Das Rahmenabkommen sorgt für mehr Transparenz für deutsche und europäische Unternehmen und beseitigt Unsicherheiten”, sagte eine Sprecherin des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums. “Die Vereinbarung schafft auch die Grundlage für noch weitergehende Verhandlungen und den Abbau von weiteren Handelshemmnissen.” Nun gehe es um eine schnelle Umsetzung. “Dazu sind wir in engem Austausch mit der Europäischen Kommission.” Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sprach dagegen weiter von Unwägbarkeiten im Exportgeschäft. “Essenziell für unsere Industrie wäre eine umfassende Senkung der US-Zölle im Stahl- und Aluminiumbereich – hierzu bleibt die Vereinbarung leider viel zu vage”, so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Auch müssten weitere US-Zollerhöhungen rechtlich bindend ausgeschlossen werden.

WEITREICHENDE ZUGESTÄNDNISSE DER EU

Mit der jetzigen Rahmenvereinbarung, die in dem Papier als erster Schritt in einem Prozess beschrieben wird, sollen Ungleichgewichte im Handel angegangen werden. Trump hatte der EU immer wieder vorgeworfen, die USA auszunutzen und auf den Handelsüberschuss der EU bei Waren verwiesen. Brüssel argumentierte, Washington berücksichtige dabei nicht die starke Position der USA bei Dienstleistungen, vor allem internetbasierten Services. Das vorläufige Abkommen bietet den USA deutlich mehr Vorteile. Die EU-Kommission wurde wegen ihrer Verhandlungsführung stark kritisiert. Sie wollte mit den Zugeständnissen noch höhere Zölle, mit denen Trump gedroht hatte, abwenden.

Die EU verpflichtet sich dazu, ihre Zölle auf alle US-Industriegüter abzuschaffen und einen bevorzugten Marktzugang für eine breite Palette von US-Meeresfrüchten und Agrarerzeugnissen wie Milchprodukten, Schweinefleisch oder Sojaöl zu gewähren. Die EU sagte zudem zu, bis 2028 in den USA Flüssiggas, Öl und Kernenergieprodukte für 750 Milliarden Dollar einzukaufen, zudem in den USA hergestellte Chips für Künstliche Intelligenz im Wert von 40 Milliarden Dollar. EU-Unternehmen sollen bis 2028 auch zusätzlich 600 Milliarden Dollar in strategisch wichtige Sektoren der USA investieren.

Beide Seiten verpflichten sich in dem Papier, “ungerechtfertigte digitale Handelshemmnisse” anzugehen. Ferner vereinbarten sie eine Zusammenarbeit, um ihre jeweiligen Stahl- und Aluminiummärkte vor Überkapazitäten abzuschirmen. Beide Seiten betonten, die Vereinbarung könnte in der Zukunft noch auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.

(Mitarbeit von Christian Krämer, Andreas Rinke, Chris Steitz und Klaus Lauer.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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