Genf (Reuters) – Fehlende Gelder gefährden nach Angaben der Vereinten Nationen die Verfolgung von Verbrechen an der muslimischen Minderheit der Rohingya in Myanmar.
Der Chef der UN-Ermittlungen zu Myanmar, Nicholas Koumjian, warnt in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, Täter drohten wegen mangelnder Kapazitäten seiner Organisation IIMM davonzukommen. “Das würde ein Signal der Straflosigkeit senden.” Verbrecher müssten sich keine Sorgen mehr über Anklagen machen, sagte Koumjian. Die UN setzten den Unabhängigen Ermittlungsmechanismus für Myanmar (IIMM) 2018 ein. Er untersucht unter anderem das Vorgehen des Militärs gegen die Rohingya ein Jahr zuvor, das von Anklägern als klassisches Beispiel für ethnische Säuberungen gesehen wird.
Das Militär von Myanmar weist diesen Vorwurf zurück und stellt die Offensive als eine legitime Anti-Terror-Kampagne dar, die auf Angriffe muslimischer Kämpfer gefolgt sei. Rund eine Million Rohingya flohen damals. Beim Militär von Myanmar war trotz mehrfacher Versuche keine Stellungnahme zu dem Interview mit Koumjian zu bekommen. Der IIMM-Chef ist ehemaliger US-Staatsanwalt, der unter anderem für das UN-Kriegsverbrechertribunal für Bosnien und Herzegowina und den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gearbeitet hat.
Koumjian sagte weiter, die Kürzungen hätten bereits dazu geführt, dass Schutz- und Beratungsdienste für Zeugen in Myanmar eingestellt wurden. “Die Folgen könnten sehr schwerwiegend sein, da wir manchmal Menschen in lebensbedrohlichen Situationen helfen.” Wenn bis zum Jahresende keine weiteren Mittel eingingen, müsse der IIMM zudem ein Projekt zur Auswertung von frei zugänglichen Quellen sowie ein weiteres zur Untersuchung von sexualisierter Gewalt und Verbrechen an Kindern beenden.
Weil die Vereinten Nationen klamm sind, stehen dem IIMM nach eigenen Angaben weniger als drei Viertel seines jährlichen Budgets von 15 Millionen Dollar zur Verfügung. Doch auch die Finanzierung durch andere Geber stockt. Bisher gab es laut vertraulichen Dokumenten, die Reuters einsehen konnte, Geld unter anderem von Großbritannien, Kanada und der EU. Koumjian zufolge beenden die USA unter der Regierung von US-Präsident Donald Trump zwei von drei ihrer Zuschussprogramme. Diese Einschränkungen des Haushalts seien eine große Belastung, so der IIMM-Chef.
Die Aufgaben des IIMM beschränken sich nicht auf die Aufarbeitung der Verbrechen an den Rohingya. Die Organisation untersucht allgemein Menschenrechtsverletzungen in Myanmar, die seit 2011 stattgefunden haben. Kürzlich legte die Organisation Beweise für systematische Folter durch die Sicherheitskräfte in den vergangenen zwölf Monaten vor. Myanmar ist in einen Bürgerkrieg versunken, nachdem die Militärs 2021 die demokratisch gewählte Regierung unter Führung der Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt hatten.
(Bericht von Emma Farge, geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)