– von Alexander Hübner
München (Reuters) -Der Kampf gegen schwere Wirbelstürme und ihre Folgen ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Ein Hurrikan wie “Katrina”, der vor genau 20 Jahren über den Südosten der USA hinwegzog und die Südstaaten-Metropole New Orleans verwüstete, würde heute trotz aller Schutzmaßnahmen nach Ansicht eines Experten mehr Schaden anrichten als damals – und das nicht nur wegen der Inflation. “Das Problem ist: Risiko ist nicht statisch, es entwickelt sich mit der Zeit”, sagte Meteorologe und Risikoforscher Mark Bove von der Münchener Rück in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Bei einem 100-jährigen Flutereignis steige das Wasser heute höher als vor 20 Jahren, schon weil der Meeresspiegel um sechs bis neun Zentimeter gestiegen sei. Das untergrabe stetig die Wirksamkeit des Hochwasserschutzes. “Wir dürfen uns deshalb nicht zurücklehnen”, sagte Bove.
“Katrina” gilt als zerstörerischste Naturkatastrophe, die die USA bis heute heimgesucht hat. Der Hurrikan hatte sich am 23. August 2005 gebildet und über dem Golf von Mexiko an Stärke zugelegt. Drei Tage später erreichte er die Küste von Florida, die verheerendsten Verwüstungen richtete “Katrina” aber in New Orleans an, wo die unter dem Meeresspiegel liegende Stadt nach Dammbrüchen bis zu 7,60 Meter unter Wasser gesetzt wurde. 1400 Menschen starben, der Sachschaden von “Katrina” belief sich inflationsbereinigt auf 205 Milliarden Dollar. Die Hälfte davon trugen Versicherer und Rückversicherer.
Die Hurrikan-Gefahren seien seither gestiegen, sagte Bove, “und das nicht nur im Golf von Mexiko”. Das vor 2005 selten gesehene Phänomen, dass sich der Wirbelsturm über dem Wasser intensiviert habe, sei heute weit häufiger zu beobachten, “vermutlich wegen der höheren Meerestemperaturen”, erklärte der Experte. “Warmes Meerwasser ist Treibstoff für Hurrikane” – und kaum ein anderer Ozean sei wärmer als der Golf von Mexiko.
Im Großraum New Orleans leben heute, 20 Jahre nach Katrina, rund 150.000 Menschen weniger als vor dem Wirbelsturm. Dennoch wären bei einer ähnlichen Naturkatastrophe mehr Sachwerte in Gefahr, hat Bove ausgerechnet. Der Wert der Gebäude in der Metropolregion New Orleans sei um 75 Prozent höher als 2005. An der damals ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogenen Küste von Mississippi wachse die Bevölkerung überdurchschnittlich stark – auch wenn viele Häuser nie wieder aufgebaut wurden.
“Katrina hat gezeigt, dass Sturmfluten zerstörerischer und kostspieliger sind als der Sturm selbst”, sagt Bove. An der Meeresküste helfe nur, die Gebäude höher wieder aufzubauen, sie etwa auf Stelzen zu stellen, oder Deiche zu errichten. Dennoch seien viele zerstörte Häuser an gleicher Stelle neu aufgebaut worden. Man dürfe die sozioökonomischen Aspekte nicht außer Acht lassen, sagte Bove. “Die Leute wissen, dass der Meeresspiegel steigt, sie sagen: Ja, wir verstehen das total – aber wir gehen hier nicht weg.”
(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)