– von Michael S. Derby und Howard Schneider und Reinhard Becker
New York/Washington/Berlin (Reuters) – US-Präsident Donald Trump hat die Entlassung von Fed-Direktorin Lisa Cook bekanntgegeben und damit an den Finanzmärkten neue Sorgen um die Unabhängigkeit der Notenbank ausgelöst.
Es gebe ausreichende Beweise dafür, dass Cook bei Hypothekenanträgen falsche Angaben gemacht habe, erklärte er am Montag (Ortszeit) in einem Schreiben an die Direktorin. Diese erwiderte, Trump habe keine Befugnis, sie zu entlassen, und sie werde nicht zurücktreten. Der US-Präsident setzt der von politischen Weisungen unabhängigen Notenbank seit langem zu und dringt auf kräftige Zinssenkungen. Er hat Notenbank-Chef Jerome Powell den Rücktritt nahegelegt, der aber bis zum Ende der Amtszeit im Mai 2026 die Stellung an der Spitze der Fed halten möchte.
Das US-Gesetz erlaubt die Abberufung eines amtierenden Direktoriumsmitglieds nur aus einem wichtigen Grund. Die in der Geschichte der Fed beispiellose Entlassung Cooks ist auch deshalb heikel, weil die Federal Reserve Mitte September wieder über den Leitzins entscheidet und Powell jüngst die Tür für eine erste Senkung im laufenden Jahr etwas geöffnet hatte. Trumps Ankündigung, die Fed-Direktorin zu entlassen, setzte dem Dollar zu und verunsicherte die Anleger an den asiatischen Aktienmärkten, aber auch in Deutschland: “Die Börsianer beobachten das Geschehen um die Fed ganz genau”, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Im Mittelpunkt stehe dabei die Sorge, dass Trump die Fed mit neuen Ernennungen schneller auf die von ihm gewollte Linie niedrigerer Zinsen bringen könnte.
“Die Märkte geraten nicht in Panik, aber sie justieren ihre Kurse neu. Frühere Zinssenkungen scheinen nach Cooks Absetzung wahrscheinlicher”, sagte Charu Chanana, Chef-Anlagestrategin bei Saxo in Singapur. Trump warf Cook vor, ihr Verhalten zeuge von grober Fahrlässigkeit bei Finanzgeschäften, was ihre Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit als Finanzaufseherin in Frage stelle. Der Chef der Aufsichtsbehörde für den Hypothekenmarkt (FHFA), William Pulte, hatte zuvor Vorwürfe gegen Cook erhoben. Daraufhin teilte das US-Justizministerium mit, es prüfe die Angelegenheit.
MACHTKAMPF KÖNNTE ESKALIEREN
Cook ist die erste afroamerikanische Frau im Direktorium der Fed. Der Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia, erwartet weitere Spannungen zwischen der Fed und dem Weißen Haus: “Falls Lisa Cook sich weiterhin weigert zurückzutreten, dürfte es zu einem offenen Machtkampf zwischen der Fed und der Regierung kommen, der dann vermutlich vor Gericht geklärt wird.” Sollte das Gericht den Rauswurf Cooks als nicht rechtmäßig einordnen, dürften sich die Angriffe Trumps fortsetzen, wie de la Rubia annimmt: “Vielleicht würde er den Fokus auf eine andere Person richten. Sollte das Gericht die Rechtmäßigkeit des Rauswurfs feststellen, wäre die Einflussnahme der Regierung auf die Fed offensichtlich.”
Der Vorwurf gegen die Fed-Direktorin, die 2022 vom ehemaligen Präsidenten Joe Biden auf den Direktorsessel gehievt wurde, lautet: Cook habe eine Eigentumswohnung in Atlanta als ihren Hauptwohnsitz angegeben, nachdem sie einen Kredit für ihr Haus in Michigan aufgenommen und dieses ebenfalls als Hauptwohnsitz deklariert habe. Pulte wirft ihr deshalb Hypothekenbetrug vor. Bisher hat er jedoch keine öffentlichen Beweise zur Untermauerung seiner Behauptung vorgelegt.
Trump hatte Cook auf Grundlage der Vorwürfe gegen sie bereits vergangene Woche zum Rücktritt aufgefordert. Der Präsident drängt die Notenbank seit Monaten zu aggressiven Zinssenkungen, während die Währungshüter angesichts anhaltender Inflationssorgen die Füße stillhielten. Die Abberufung Cooks, deren Amtszeit regulär 2038 endet, erlaubt Trump, der Fed personell weiter seinen Stempel aufzudrücken. Er hat bereits mit der Nominierung seines Wirtschaftsberaters Stephen Miran für einen freigewordenen Direktorenposten die Weichen dafür gestellt, einen erklärten Kritiker der Notenbank in der Fed-Spitze zu platzieren. Mit Miran schickt der Staatschef zugleich einen Vertrauten in die Zentralbank, der mit ihm auf einer Wellenlänge liegt: Miran hat maßgeblich die Handels- und Zollpolitik der Regierung mitgestaltet.
Zudem wird in Washington darüber spekuliert, dass Trump den von ihm ernannten Fed-Direktor Christopher Waller zum Nachfolger von Fed-Chef Powell machen könnte. Der US-Präsident hat Powell immer wieder dafür kritisiert, dass er die Zinsen dieses Jahr noch nicht gesenkt hat. Er hat zudem öffentlich über dessen Entlassung sinniert, die gemäß US-Gesetz jedoch nicht wegen eines Streits über die Zinspolitik gerechtfertigt wäre.
Der Findungsprozess für einen Nachfolger läuft unterdessen bereits und soll in einigen Monaten abgeschlossen sein. “Die angeordnete Entlassung der Gouverneurin Lisa Cook könnte auch ein Versuchsballon sein, bevor der US-Präsident am Stuhl des Fed-Chefs Jerome Powell weiter sägt”, meint Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets.
(Bericht von Michael S. Derby, Howard Schneider, und Kanishka Sing, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Stefanie Geiger, Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)