EZB-Währungshüter sehen Vorteile einer abwartenden Haltung

Frankfurt (Reuters) – Die Währungshüter der EZB haben Vorteile für eine abwartende Haltung in der Zinspolitik ausgemacht.

Die Beibehaltung unveränderter Zinsen wurde als “robuster Ansatz” zur Bewältigung von Schocks und Inflationsrisiken in einer Vielzahl von plausiblen Szenarien betrachtet, wie aus den Protokollen der jüngsten Zinssitzung im Juli hervorgeht, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag veröffentlicht wurden. Insgesamt sei das Warten auf weitere Informationen und die Beseitigung gewisser Unsicherheiten derzeit eine sehr wertvolle Option, hieß es darin. Für die meisten Währungshüter lägen die Risiken für den Inflationsausblick weitgehend in der Balance.

Doch es gab dem Protokoll zufolge auf der Zinssitzung auch abweichende Stimmen. Einige Währungshüter wiesen auf die Gefahr hin, dass die Inflation im Euroraum zu niedrig ausfallen könnte im Vergleich zu den EZB-Prognosen vom Juni. Ein starker Euro und die Möglichkeit, dass Länder im Zuge des Handelsstreits mit den USA mehr Exporte in die Eurozone umlenken, könnten zu weniger Inflation führen. Andere wiederum merkten an, mittelfristig bestünde eher die Gefahr einer zu hohen Inflation. Dies hänge mit schwankungsreichen Energiepreisen und Wechselkursen zusammen, die sich leicht umkehren könnten. Die Inflationsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft lag im Juli bei 2,0 Prozent, was genau dem mittelfristigen Ziel der EZB entspricht. Auf dem Zinstreffen wurde auch eine Ansicht vertreten, das aktuelle Umfeld sei mit einer Zinssenkung vereinbar.

VOLKSWIRTE – ZINSPAUSE IM SEPTEMBER NOCH NICHT AUSGEMACHT

Aus Sicht von Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, legt sich die EZB für September nicht fest und scheint zu einer erneuten Zinspause zu tendieren. “Die Analyse im Protokoll zeigt zu dieser Kommunikation aber einen gewissen Widerspruch”, merkte er an. “Eine Zinspause im September ist keineswegs eine ausgemachte Sache.” Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING, schließt eine Zinssenkung im September zur Absicherung nicht aus – “nach dem Grundsatz, dass das keinen Schaden anrichten würde, aber letztendlich Gutes bewirken könnte”, so der Experte

Die EZB hatte im Juli nach einer Serie von sieben Zinssenkungen in Folge pausiert. Der Leitzins im Euroraum, das ist der Einlagesatz, liegt damit weiterhin bei 2,0 Prozent. Ihn erhalten Finanzinstitute, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten. Über diesen Satz steuert der EZB-Rat maßgeblich seinen geldpolitischen Kurs. EZB-Chefin Christine Lagarde, hatte auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss auf das transatlantische Hin-und-Her in der Zollpolitik und die noch nicht absehbaren Folgen für Inflation und Konjunktur im Euroraum hingewiesen. Am Finanzmarkt wurde vor Veröffentlichung der Protokolle die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Zinspause am 11. September auf über 90 Prozent taxiert. Auch nach Veröffentlichung lag diese Zahl bei über 90 Prozent.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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