Mailand/Berlin (Reuters) – Die italienische MFE-Holding hält Insidern zufolge eine deutliche Mehrheit an ProSiebenSat.1 und kann den geplanten Umbau des deutschen TV-Konzerns bald angehen.
Nach Ende des Aktienkauf-Angebots an die Aktionäre samt Nachfrist kommt MFE-MediaForEurope (MFE) auf einen Anteil von über 70 Prozent an der bayerischen Senderkette, wie die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren mit der Sache vertrauten Personen am Mittwoch erfuhr. MFE und ProSiebenSat.1 lehnten eine Stellungnahme dazu ab. Das offizielle Endergebnis zur Offerte von MFE soll am Donnerstag veröffentlicht werden.
Die Holding der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist bereits in Italien und Spanien aktiv und will mit ProSiebenSat.1 eine pan-europäische Rundfunk- und Mediengruppe aufbauen. Die Italiener sind seit 2019 bei ProSiebenSat.1 engagiert und wollen die Bayern in ihre Zukunftspläne einbauen, um den Streaming-Riesen aus den USA wie Netflix und Amazon Prime Paroli zu bieten.
MFE WILL FÜR PROSIEBENSAT.1 MEHR NEWS UND MEHR SERIEN
MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi hatte am Dienstag in Berlin Kulturstaatsminister Wolfram Weimer getroffen und sich zum Standort Deutschland und zur Wahrung redaktioneller Unabhängigkeit bekannt. Der deutsche Markt solle ein zentraler Bestandteil der Konzernstrategie sein, erklärte Berlusconi. “Wir möchten ein lokaleres Angebot produzieren und anbieten, das noch stärker auf das deutsche Publikum zugeschnitten ist”, kündigte der Manager an. Es gehe um “mehr Nachrichten, mehr Unterhaltungssendungen und mehr Fernsehserien – und im Laufe der Zeit weniger zugekaufte Formate – so, wie wir es bereits in Italien und Spanien praktizieren”. München werde als bedeutender Standort für Inhalte, Innovation und Beschäftigung weiterentwickelt. “Wir wollen Arbeitsplätze erhalten und die Verankerung von ProSiebenSat.1 in Bayern, in Deutschland und im gesamten deutschsprachigen Raum stärken.”
Mit der Mehrheit von über 50 Prozent können die Italiener die Umsätze und Gewinne von ProSiebenSat.1 voll in die eigene Bilanz aufnehmen. Für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der ihnen den Zugriff auf die Finanzmittel geben würde, wäre aber eine Dreiviertel-Mehrheit nötig. Ob MFE diese 75 Prozent letztlich noch erreicht, blieb zunächst unklar. Die übrigen Anteile sind im Streubesitz, liegen meist bei Fondsgesellschaften und privaten Anlegern. Die börsennotierte ProSiebenSat.1-Aktie lag am Mittwochnachmittag leicht im Plus bei 7,65 Euro – und damit unter dem MFE-Angebot, was rund acht Euro entsprach.
Die große Mehrheit von MFE war nur möglich, weil der andere Großaktionär, die tschechische PPF-Gruppe, das Handtuch geworfen hat. Die Tschechen wollten ihren Anteil – ebenfalls mit einer Kaufofferte an die Aktionäre – auf 29,99 Prozent aufstocken. Sie kamen aber nur auf 18,4 Prozent. Deshalb kündigten sie an, 15,68 Prozent an MFE zu verkaufen und die übrigen Finanzinstrumente in ProSiebenSat.1 abzuwickeln.
Die bayerische Landesregierung und die zuständige Landesmedienanstalt (BLM) hatten bereits signalisiert, dass sie einem stärkeren Engagement von MFE wohlwollend gegenüberstünden und keine vorherrschende Meinungsmacht durch die Italiener zu befürchten sei.
(Bericht von Elivra Pollina und Klaus Lauer, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)