Kabinett billigt umstrittene Steuerhilfen für Pendler und Restaurants

Berlin (Reuters) – Pendler und Restaurants können sich auf spürbare Steuererleichterungen der Bundesregierung freuen.

Das Kabinett beschloss am Mittwoch ein Maßnahmenpaket, das zusammen eine Entlastung von mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr bringt. Konkret soll die Pendlerpauschale ausgeweitet und die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants gesenkt werden. Das Paket soll Mobilität im ländlichen Raum stärken und die krisengeplagte Gastronomie unterstützen. Ökonomen sprachen von kostspieligen Steuergeschenken zugunsten der Gastronomie. Der ZEW-Experte Friedrich Heinemann nannte dies “Finanz-Populismus”.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte das Steueränderungsgesetz ins Kabinett eingebracht, die geplanten Maßnahmen gehen aber auf die CSU innerhalb der schwarz-roten Koalition zurück. Klingbeil sagte, hart arbeitende Menschen mit weiten Wegen zwischen dem Wohn- und Arbeitsort würden entlastet. “Das ist gerade für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen wichtig.” Die Entlastung der Steuerzahler im Jahr 2026 dürfte sich auf 1,1 Milliarden Euro summieren, ab 2027 dann jährlich 1,9 Milliarden. Bei einem Arbeitsweg von fünf Kilometern und einer Fünf-Tage-Woche beträgt die Entlastung 88 Euro, bei zehn Kilometern sind es 176 Euro und bei 20 Kilometern 352 Euro.

Mit der Pendlerpauschale von 38 Cent je Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz soll die Mobilität vor allem im ländlichen Raum gefördert werden. Mit dem Gesetz wird der Steuervorteil verstetigt und auch schon ab dem ersten Kilometer gewährt. Bisher gilt für die ersten 20 Kilometer der einfachen Strecke ein Satz von 30 Cent pro Kilometer, ab dem 21. Kilometer dann 38 Cent. CSU-Chef Markus Söder betonte, die Regelung gelte für das Auto, Rad und öffentliche Verkehrsmittel gleichermaßen.

WIRD DAS SCHNITZEL GÜNSTIGER?

In der Gastronomie soll ab Anfang 2026 die Mehrwertsteuer für Speisen dauerhaft auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent gesenkt werden. Damit soll die Branche, die vor allem in der Corona-Pandemie massiv gelitten hatte, unterstützt werden. Getränke sind von der Regelung allerdings ausgenommen. Ob die Ersparnis bei Speisen am Ende beim Kunden ankommt, ist fraglich. Im Gesetzentwurf heißt es, die Weitergabe an Verbraucher sei ebenso möglich wie zusätzliche Investitionen der Betriebe. “Die Entscheidungen sind abhängig von Marktbedingungen und obliegen den betroffenen Unternehmen.”

Die Regierung hat keinen Hebel, Preissenkungen in Restaurants durchzusetzen. “Ich würde dafür werben, Entlastung nicht nur im Sinne von ‘Es werden Preise gesenkt’ zu verstehen, sondern es wird auch ein weiterer Anstieg von Preisen verhindert”, sagte Regierungssprecher Sebastian Hille in Berlin. “Unser Ziel ist es, bestmöglich zu entlasten, wobei eine Entlastung auch nicht steigende Preise sein können.”

Der Gaststättenverband Dehoga begrüßte die Maßnahmen. “Ich bin überzeugt: Wo Spielräume bestehen, werden unsere Gastronominnen und Gastronomen diese nutzen – für Investitionen in ihre Betriebe, in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auch für preisattraktive Angebote, um verlorene Gäste zurückzugewinnen”, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Hohe Personalkosten durch den stark steigenden Mindestlohn erschwerten aber die Lage. “87 Prozent des Gastgewerbes haben weniger als zehn Beschäftigte. Es geht um den Erhalt unserer Betriebe als soziale Treffpunkte in Städten wie ländlichen Räumen.”

Die geplante Steuersenkung begünstige eher reiche Haushalte, privilegiere eine Branche und trage zur weiteren Zersplitterung der Mehrwertsteuer bei, sagte Ökonom Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der Nachrichtenagentur Reuters. Noch dazu koste die Maßnahme mit rund vier Milliarden Euro im Jahr sehr viel Geld. Kritik kam auch von der Verbraucherorganisation Foodwatch: “Allein McDonald’s spart jährlich 140 Millionen Euro”, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann. Die Union revanchiere sich bei der Gastro-Lobby für Wahlkampfunterstützung und Parteispenden. Statt Pommes und Burger zu fördern, brauche es endlich eine Steuerpolitik, die gesundes Essen bezahlbar mache – etwa durch eine Steuerbefreiung für Obst und Gemüse.

GLEICHBEHANDLUNG MIT ANDEREN ESSENSANGEBOTEN

Die CSU verwies auf die weiterhin schwierige Lage der Branche. In 20 der 27 EU-Staaten gelte der reduzierte Mehrwertsteuersatz. “Es gilt jetzt, den Gesetzentwurf zügig im Parlament zu verabschieden, damit die Betriebe schnellstmöglich Planungssicherheit bekommen”, sagte der tourismuspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Michael Kießling. Restaurants und Wirtshäuser würden künftig steuerlich ebenso behandelt wie To-Go-Angebote, Essenslieferungen und verpacktes Essen aus dem Supermarkt. “Die Steuersenkung kommt aber auch Kantinen in Kitas und Schulen, Betriebsrestaurants, Patienten in Krankenhäusern sowie Senioren in Pflegeeinrichtungen zugute.”

Ähnlich argumentierte der Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung, Christoph Ploß (CDU): “Das Fortbestehen der lokalen Wirtshauskultur und des gastronomischen Angebotes in Innenstädten und ländlichen Regionen ist ein wichtiger Faktor sowohl für die touristische Attraktivität als auch für die Lebensqualität der Menschen vor Ort.”

(Bericht von Christian Krämer, Rene Wagner, Andreas Rinke und Klaus Lauer, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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