– von Alan Charlish und Lidia Kelly
Warschau (Reuters) – Polen hat nach Regierungsangaben über seinem Staatsgebiet mehrere russische Drohnen abgeschossen.
Die unbemannten Flugobjekte seien während eines russischen Angriffs auf die Ukraine wiederholt in den polnischen Luftraum eingedrungen, teilte das Militärkommando des Nato- und EU-Mitglieds am Mittwoch mit. “Dies ist ein Akt der Aggression.” Es habe sich “um eine reale Bedrohung” für die Sicherheit der Bevölkerung gehandelt. Nach Angaben von Ministerpräsident Donald Tusk gab es keine Opfer. Es sei vermutlich eine großangelegte Provokation gewesen.
Nach Behördenangaben halfen Nato-Verbündete bei der Absicherung des Luftraums. Mehrere Flughäfen, darunter der internationale Airport Chopin in der Hauptstadt Warschau, stellten ihren Verkehr vorübergehend ein, bevor das Militär den Einsatz am Morgen für beendet erklärte. Tusk stand nach eigenen Angaben während des Vorfalls in ständigem Austausch mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Er setzte für den Vormittag ein Krisentreffen des polnischen Ministerrats an.
Auf den Radarschirmen seien mehr als zehn Objekte verfolgt worden, teilte das polnische Militärkommando mit. Diejenigen, die eine Bedrohung hätten darstellen können, seien “neutralisiert” worden. “Einige der Drohnen, die in unseren Luftraum eingedrungen sind, wurden abgeschossen. Die Suche und die Bemühungen, die potenziellen Absturzstellen dieser Objekte ausfindig zu machen, dauern an.” Die Bevölkerung insbesondere im Grenzgebiet wurde während des Vorfalls aufgefordert, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben. Vom russischen Verteidigungsministerium lag zunächst keine Stellungnahme vor.
“PUTIN TESTET ENTSCHLOSSENHEIT DES WESTENS”
“Wir sind darauf vorbereitet, solche Provokationen abzuwehren. Die Lage ist ernst, und wir müssen uns ohne Zweifel auf verschiedene Szenarien vorbereiten”, erklärte Tusk. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von “einem weiteren Eskalationsschritt”. Es habe sich nicht um eine einzelne Drohne gehandelt, die versehentlich in den polnischen Luftraum eingedrungen sei. Vielmehr seien mindestens acht Drohnen auf Polen gerichtet gewesen.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha sagte, die Verletzungen des polnischen Luftraums zeigten, dass der russische Präsident Wladimir Putin seinen Krieg ausweite und den Westen auf die Probe stelle. “Je länger ihm nicht mit Stärke begegnet wird, desto aggressiver wird er”, erklärte Sybiha auf X. “Eine schwache Reaktion jetzt wird Russland noch mehr provozieren – und dann werden russische Raketen und Drohnen noch weiter nach Europa fliegen.”
Ähnliche Töne wurden in den USA angeschlagen. Senator Dick Durbin von den Demokraten erklärte, wiederholte Verletzungen des Nato-Luftraums durch russische Drohnen seien ein Zeichen dafür, dass “Wladimir Putin unsere Entschlossenheit testet, Polen und die baltischen Staaten zu schützen”. Der republikanische Abgeordnete Joe Wilson, ein hochrangiges Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, erklärte in einem Beitrag auf X, Russland “greife den Nato-Verbündeten Polen” mit Drohnen an, und nannte dies einen “Kriegsakt”. Wilson forderte US-Präsident Donald Trump auf, mit Sanktionen zu reagieren, die “die russische Kriegsmaschinerie” in den Bankrott treiben. “Putin gibt sich nicht länger damit zufrieden, nur in der Ukraine zu verlieren, während er Mütter und Babys bombardiert. Er testet unsere Entschlossenheit jetzt direkt auf Nato-Territorium.”
Trump, der Putin im August zu einem Gipfeltreffen in den USA noch herzlich willkommen geheißen hatte, sagte am Wochenende, er sei bereit, nach monatelangen erfolglosen Gesprächen über ein Friedensabkommen eine zweite Sanktionsphase gegen Russland einzuleiten. Dies war sein bisher deutlichster Hinweis darauf, dass er als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine den Druck auf Moskau oder dessen Ölkäufer erhöhen könnte. Der ranghöchste Sanktionsbeauftragte der Europäischen Union war am Montag in Washington, um über die ersten koordinierten transatlantischen Maßnahmen gegen Russland zu beraten, seit Trump im Januar mit dem Versprechen ins Amt zurückgekehrt war, den Krieg in 24 Stunden zu beenden.
(Geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Philipp Krach.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)