Frankfurt/Paris/Helsinki (Reuters) – Einen Tag nach dem jüngsten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich Währungshüter aus der Euro-Zone alle Optionen für die nächsten Schritte offen gehalten.
Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau schloss eine weitere Lockerung der Zinsen auf den kommenden EZB-Sitzungen nicht aus, wie er am Freitag dem TV-Sender BFM Business sagte. In Wien merkte Österreichs Notenbankchef Martin Kocher an, dass es grundsätzlich in beide Richtungen bei den Zinsen weitergehen könne. Der oberste Währungshüter Lettlands, Martins Kazaks, wies unterdessen im Gespräch mit Reuters auf die Bedeutung der EZB-Zinssitzung im Dezember hin.
Die EZB hatte am Donnerstag auf ihrer ersten Zinssitzung nach der Sommerpause wie im Juli die Füße stillgehalten. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beließen den Einlagesatz, also den Leitzins im Euro-Raum, bei 2,0 Prozent. Lagarde hielt sich bedeckt dazu, wie es mit den Zinsen weitergehen soll. Die nächsten Zinsentscheide der Euro-Notenbank stehen am 30. Oktober und danach am 18. Dezember an.
Es gebe keinen vorgezeichneten Kurs, sagte Villeroy. “Aber eine weitere Zinssenkung ist bei den kommenden Sitzungen durchaus möglich”, fügte er hinzu. EZB-Ratsmitglied Kocher sagte auf einer Pressekonferenz, dass sich auf der Zinssitzung die Währungshüter sehr einmütig auf die Option des Zuwartens und der Datengetriebenheit bei allen Sitzungen in der Zukunft geeinigt hätten. Niemand habe darüber gesprochen, wie es weitergehe. “Weil es wirklich in beide Richtungen weitergehen kann, grundsätzlich, je nachdem, wie sich die Lage entwickelt”, sagte Kocher. Wachsamkeit sei wichtig.
RISIKO ZU GERINGER INFLATION
Die Inflation im Euro-Raum, die im Herbst 2022 noch bei über zehn Prozent lag, ist vorerst eingedämmt. Sie lag im August bei 2,1 Prozent und damit nur leicht über der von der EZB angestrebten Marke von 2,0 Prozent. Dieses Niveau erachtet die Währungshüter als optimal für die Wirtschaft. Für 2026 erwarten die Notenbank-Volkswirte allerdings eine unter dem Ziel liegende Rate von 1,7 Prozent. Für 2027 wurden 1,9 Prozent veranschlagt.
Der finnische Notenbankchef Olli Rehn hob in Helsinki auch die Gefahr einer zu geringen Inflation hervor. Diese ergebe sich aufgrund billigerer Energie und eines stärkeren Euro, sagte das EZB-Ratsmitglied. “Wir müssen vermeiden, dass wir zu weit von unserem Ziel abweichen”, warnte er. Für die EZB sind Abweichungen der Inflation vom Zielwert nach unten hin ebenso unerwünscht wie ein zu starker Anstieg der Verbraucherpreise. Unterdessen hob Lettlands Notenbank-Chef Kazaks die Dezember-Sitzung hervor für die Abschätzung der Inflationsentwicklung. Die Treffen sei reich an Daten, sagte er. “Denn wir bekommen dann neue Projektionen und werden sehen, ob es eine Abweichung von den zwei Prozent gibt und wie groß und anhaltend diese wahrscheinlich sein wird”, merkte er an.
Die vierteljährlich veröffentlichten Projektionen der Notenbank-Volkswirte dienen den Währungshütern stets als wichtige Orientierungshilfe bei den Zinsentscheidungen. Sie werden zu den Zinssitzungen im März, im Juni, im September und im Dezember veröffentlicht.
(Reporter Dominique Vidalon, Francesco Canepa, Essi Lehto, Elviira Luoma, Frank Siebelt; Berbeitet von Frank Siebelt; Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)