Berlin (Reuters) – Das Münchner Ifo-Institut fürchtet, dass die Mittel der Länder aus dem Infrastruktur-Sondertopf versickern.
Es bestehe die Gefahr, dass die 100 Milliarden Euro der Länder nur in geringem Maße für zusätzliche Investitionsprojekte verwendet würden, sagte Ifo-Forscher Niklas Potrafke am Freitag. “Die Politik sieht vor, dass mit den neuen Schulden auch bereits geplante Investitionsvorhaben finanziert werden können.” Dann stehe in den Kernhaushalten mehr Geld für Anderes zur Verfügung. “De facto wäre dies eine schuldenfinanzierte Ausweitung des Sozialstaates.” So werde das viele Geld nicht zu mehr Wirtschaftswachstum führen. “Wenn statt neuer Straßen Theater oder Sportplätze finanziert werden, wird der gewünschte Effekt nicht eintreten”, sagte Potrafke.
Der Bundestag debattierte am Freitag in Berlin über den Gesetzentwurf, mit dem die Länder 100 Milliarden der insgesamt 500 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zur Sanierung der Infrastruktur erhalten sollen. Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) verteidigte die Pläne der schwarz-roten Koalition. “Es ist höchste Zeit, dass der bröckelnde Putz, die gesperrten Bäder und die kaputten Bolzplätze endlich verschwinden aus unserer Landschaft – und dafür nehmen wir jetzt Geld in die Hand.” Die Länder müssten dafür die nötigen Mittel bekommen. Sie sollten auch in Kultureinrichtungen, Sportstätten und Schwimmbäder fließen.
Klingbeil sagte, die klare Erwartung sei, dass ein Großteil der Gelder bei den klammen Kommunen ankomme. Der Bund werde in den nächsten Wochen Maßnahmen auf den Weg bringen, um das Problem der hohen Altschulden der Kommunen anzugehen. 2024 wiesen die Gemeinden zusammen ein Finanzierungsdefizit von 24,8 Milliarden Euro aus.
OPPOSITION: “TROPFEN AUF DEN HEISSEN STEIN”
Der CDU-Politiker Mathias Middelberg bemängelte, dass die Länder bei der Verteilung der 100 Milliarden Euro eine Mindestquote zugunsten der Kommunen verhindert hätten. Dies wäre fairer gewesen. Die Länder seien in der Pflicht. “Die Möglichkeiten des Bundes sind begrenzt.” Habe der Bund 1991 noch 48 Prozent von allen Steuereinnahmen bekommen, seien es heute nur noch knapp 40 Prozent – Resultat von Verschiebungen zugunsten der Länder.
Die Opposition kritisierte den Gesetzentwurf, der in den nächsten Wochen beschlossen werden soll. Die Linke sprach von einem Tropfen auf den heißen Stein, der bei weitem nicht ausreiche, um den Investitionsstau aufzulösen. Die AfD kritisierte, dass die Koalition Probleme nur mit neuen Schulden zu lösen versuche. Weil die Baukapazitäten begrenzt seien, würden die Schulden am Ende zu höheren Preisen führen. Statt neuer Brücken werde es teurere Brücken geben. “Das wird nicht zu Wirtschaftswachstum führen”, sagte AfD-Haushaltsexperte Michael Espendiller.
Verteilt werden die 100 Milliarden nach dem üblichen Königsteiner Schlüssel. 21,1 Prozent der Mittel gehen damit nach Nordrhein-Westfalen, Bayern bekommt 15,7 Prozent, Baden-Württemberg 13,2 Prozent. Am wenigsten erhält der kleine Stadtstaat Bremen mit 0,9 Prozent. Projekte können finanziert werden, wenn sie nicht schon vor Anfang 2025 begonnen wurden. Bis Ende 2036 können Maßnahmen bewilligt werden. Neben der Verkehrsinfrastruktur kann das Geld auch in den Bevölkerungsschutz, Krankenhäuser und Pflegeheime, Energieinfrastruktur, Bildungsstätten und Digitalisierung fließen.
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)