– von Phil Stewart und Pavel Polityuk
Ramstein/Moskau (Reuters) – Russland warnt angesichts der Aufrüstung der Ukraine mit schweren Waffen auch aus Deutschland vor einem Atomkrieg.
“Die Gefahr ist ernst, real, und wir dürfen sie nicht unterschätzen”, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag. Er warf der Nato vor, in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg zu führen. “Und Krieg ist Krieg.” Die Bundesregierung beschloss, der Ukraine Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard und damit erstmals schwere Waffen zu liefern. Zudem will die Ampel-Koalition im Bundestag die Lieferung schwerer Waffen beantragen. Im Osten der Ukraine wurden die schweren Kämpfe fortgesetzt. Eine Ausweitung des Konflikts wurde befürchtet, nachdem Russland mit militärischen Maßnahmen in Transnistrien an der Westgrenze der Ukraine drohte.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gab beim Treffen der Ressortchefs alliierter Staaten auf dem US-Militärstützpunkt in Ramstein die Gepard-Lieferungen bekannt. Zudem arbeite Deutschland zusammen mit den USA an der Ausbildung von ukrainischen Truppen an Artilleriesystemen auf deutschem Boden. Geplant sei gemeinsam mit den Niederlanden die Ausbildung an Panzerhaubitzen und die Bereitstellung von Munition für die Ukraine. “Denn wir wissen alle, dass in diesem Konflikt Artillerie ein wesentlicher Faktor ist”, sagte Lambrecht.
Weiterer Aspekt der deutschen Waffenhilfen ist der sogenannte Ringtausch, wie Lambrecht ausführte. Die osteuropäischen Partner geben demnach Gerät aus sowjetischer Produktion an die Ukraine, und Deutschland füllt die Bestände im Anschluss wieder auf. “Hier kann man noch mehr tun, wir sind dazu bereit”, sagte die SPD-Politikerin. In Ramstein berieten auf Einladung der US-Regierung Verteidigungsminister von über 40 Staaten über das weitere Vorgehen im Kriegsgeschehen. Das erklärte Ziel sei neben den Hilfen auch, dass die Alliierten unter keinen Umständen zur Kriegspartei werden.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, das Vorgehen Russlands sei unverzeihlich. Die Welt stehe geeint gegen die Regierung in Moskau. Die Ukraine sei davon überzeugt, diesen Krieg gewinnen zu können. “Das tut jeder hier.” Austins Sprecher John Kirby kritisierte die Warnung des Lawrows vor einem Atomkrieg als Eskalation. Die USA hätten die Einsatzbereitschaft ihrer nuklearen Abschreckung nicht verändert, sagte er CNN. Die russische Armee und der ganze Staat seien seit Beginn des Krieges schwächer geworden. “Wir wollen, dass Russland in Zukunft nicht mehr in der Lage ist, seine Nachbarn zu bedrohen.”
AMPEL STELLT LIEFERUNGEN IN KONTEXT VON FRIEDENSBEMÜHUNGEN
Die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP einigten sich auf einen Antrag, in dem die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine begrüßt wird. Die Hilfen sollen aber in den Kontext umfassender Bemühungen um Frieden gestellt werden. Erwartet wird, dass der Bundestag am Donnerstag über die Vorlage entscheiden wird. Offen blieb zunächst, ob sich die Union dem Antrag anschließen wird.
Im Kriegsgeschehen setzte Russland am Dienstag seinen Beschuss an der gesamten Front in der ostukrainischen Region Donezk nach Angaben des dortigen Gouverneurs fort. Zwei Menschen seien getötet und sechs weitere verletzt worden, teilte Pawlo Kyrylenko über den Online-Dienst Telegram in einem Zwischenbericht mit. Der russische Angriff hat bisher Tausende Menschen getötet oder verletzt, ganze Städte zerstört und mehr als fünf Millionen Ukrainer in die Flucht getrieben. Es ist Russland bislang aber nicht gelungen, eine große ukrainische Stadt vollständig einzunehmen, nur Mariupol steht weitgehend unter Kontrolle des russischen Militärs. In den Vororten von Kiew wurde die russische Armee durch erbitterten Widerstand zurückgedrängt. Derzeit konzentrieren sich die Kämpfe auf den Osten des Landes, wo prorussische Separatisten seit Jahren Teilgebiete kontrollieren.
Eine Ausweitung der Konflikte drohte im Westen der Ukraine. Russland warnte nach Berichten über Anschläge in dem moldauer Separatisten-Gebiet Transnistrien vor Konsequenzen. Das Außenministerium in Moskau erklärte, es müsse ein Szenario vermeiden werden, in dem Russland intervenieren müsse, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA ohne nähere Details zu nennen. Der schmale Landstreifen Transnistrien grenzt an die Ukraine. Die ukrainische Regierung äußerte Befürchtungen, Russland könne planen, von Transnistrien aus den Westen des Landes anzugreifen.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres traf am Dienstag in Moskau zunächst Lawrow und dann den Präsidenten Wladimir Putin. “Wir sind äußerst daran interessiert, Wege zu finden, um die Bedingungen für einen effektiven Dialog, für einen möglichst baldigen Waffenstillstand und für eine friedliche Lösung zu schaffen”, sagte Guterres von den Gesprächen. Nach seinem Treffen mit Lawrow äußerte sich Guterres besorgt über mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine. Die Vorwürfe gegen die russischen Streitkräfte müssten unabhängig untersucht werden.