Produktion und Exporte wachsen deutlich – “Aber keine Trendwende”

– von Rene Wagner

Berlin (Reuters) – Gegen Ende eines schwierigen Jahres 2024 überrascht die krisengeplagte deutsche Wirtschaft mit positiven Nachrichten:

Sowohl die Produktion als auch die Exporte legten im November überraschend deutlich zu. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 1,5 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet, nach Rückgängen in den beiden Vormonaten. Die Exporte wuchsen auch wegen des gut laufenden US-Geschäfts um 2,1 Prozent auf 127,3 Milliarden Euro. Ein größeres Plus gab es zuletzt im Januar 2024.

Bundesregierung und Ökonomen sehen aber keine durchgreifende Erholung. “Trotz der günstigeren Entwicklung am aktuellen Rand zeichnet sich bei der Industrieproduktion insgesamt noch keine Trendwende ab”, betonte das Bundeswirtschaftsministerium. “Die weiterhin bestehenden geopolitischen Unsicherheiten, die zuletzt erneut rückläufigen Auftragseingänge und die jüngst wieder eingetrübten Stimmungsindikatoren lassen derzeit keine spürbare Belebung in den kommenden Monaten erwarten.” Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer verwies auf die schlechte Auftragslage. “Das Winterhalbjahr bleibt für die deutsche Wirtschaft schwierig”, sagte Krämer deshalb. Und das auch, weil am 20. Januar Donald Trump ins Weiße Haus einzieht. “Die nächsten Monate mit erwartbaren zusätzlichen Zöllen können für die deutsche Exportwirtschaft aber noch sehr unangenehm werden”, warnte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier.

WEIT UNTER DEM NIVEAU VON 2018

Die Industrie allein stellte im November 1,0 Prozent mehr her als im Vormonat. Dabei meldete der Sonstigen Fahrzeugbau – Flugzeuge, Schiffe, Züge, Militärfahrzeuge – mit 11,4 Prozent einen besonders kräftigen Anstieg. In den energieintensiven Industriezweigen gab es ein Plus von 1,5 Prozent. Die Energieerzeugung wurde um 5,6 Prozent hochgefahren, während das Baugewerbe ein Wachstum von 2,1 Prozent meldete. “Der Produktionsanstieg ist ein Lebenszeichen, mehr nicht”, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Selbst wenn der Dezember ein weiteres Plus liefere, werde die Produktion im Jahresschlussquartal gesunken sein. “Für eine echte Produktionsbelebung fehlt es an Aufträgen”, sagte der Experte. “Die Industrie bleibt weiter ein Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung.”

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) verwies darauf, dass die Industrieproduktion im Jahr 2024 um rund 4,5 Prozent gesunken sein und um mehr als zehn Prozent unter dem Niveau des Jahres 2018 liegen dürfte, als sie ihren Höchststand erreichte. “Angesichts des niedrigen Produktionsniveaus ist das Plus nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal kaum Signale für eine nachhaltige Belebung auszumachen sind”, sagte IfW-Konjunkturexperte Nils Jannsen.

Für das Exportwachstum sorgte die steigende Nachfrage nach Waren “Made in Germany” in den Ländern außerhalb der Europäischen Union. Die Ausfuhren in diese Drittstaaten legten im November um 6,9 Prozent auf 59,5 Milliarden Euro zu. Die meisten deutschen Exporte gingen erneut in die USA: Hier gab es ein Plus von 14,5 Prozent auf 14,0 Milliarden Euro. “Dieser satte Exportzuwachs dürfte allerdings Donald Trump ein Dorn im Auge sein, schließlich sollen die Außenhandelsdefizite der USA gegenüber den wichtigsten Handelspartnern deutlich reduziert werden”, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Der Republikaner droht mit Importzöllen.

Die Exporterwartungen der deutschen Industrieunternehmen haben sich im Dezember eingetrübt, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Umfrage unter Managern herausfand. “Die Exportwirtschaft entwickelt auch zum Jahresende keine Dynamik”, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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