Beirut (Reuters) – Der Libanon steht vor der Ernennung eines neuen Ministerpräsidenten, ein weiterer Rückschlag für die radikal-islamische Hisbollah.
Der selbst neu gewählte Präsident Joseph Aoun bestellte am Montag den Chef des Internationalen Gerichtshofs (IGH), Nawaf Salam, ein, um ihm einen Regierungsauftrag zu erteilen. Salam hatte sich die Unterstützung von mindestens 85 der Abgeordneten gesichert und damit die notwendige Mehrheit. Die vom Iran unterstützte Hisbollah hatte dagegen den Amtsinhaber Nadschib Mikati im Amt belassen wollen. Ihr Abgeordneter Mohammed Raad warf den Gegnern seiner Organisation vor, diese ausschließen zu wollen. Bereits die Wahl von Aoun zum Präsidenten durch das Parlament vergangene Woche war als Niederlage für die Gruppe gewertet worden.
Im Libanon werden die zentralen Posten nach einem konfessionellen Proporzsystem vergeben. Demnach muss der Ministerpräsident sunnitischer Muslim, der Präsident maronitischer Christ und der Parlamentspräsident schiitischer Muslim sein. Das Land steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, darunter die Folgen des verheerenden Finanzkollapses im Jahr 2019. In den vergangenen mehr als zwei Jahren gab es im Libanon jedoch keinen Präsidenten und kein geregeltes Kabinett. Der ehemalige General Aoun genießt nun die Anerkennung der USA und spielte eine zentrale Rolle bei der Umsetzung einer von der Regierung in Washington eingefädelten Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah.
Die Einbestellung von Salam für die Regierungsbildung zeigt damit erneut, wie stark der Einfluss der lange überaus mächtigen Hisbollah im Zuge des Konflikts mit Israel zurückgegangen ist. Die Organisation ist nicht nur Miliz, sondern auch eine politische Partei. Neben dem Krieg setzte ihr auch der Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Dezember zu. Die Hisbollah hatte an dessen Seite im syrischen Bürgerkrieg gekämpft. Diese und andere Entwicklungen lassen den mehrheitlich schiitischen Iran geschwächt zurück. Umgekehrt wächst der Einfluss Saudi-Arabiens, das sich als Schutzmacht der Sunniten begreift. Das Königreich und die Islamische Republik gelten als Erzrivalen im Kampf um die Macht in der Region.
(Bericht von Laila Bassam und Tom Perry; Geschrieben von Scot W. Stevenson, redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)