Fortschritt bei Nahost-Verhandlungen – “aber noch nicht da”

– von Andrew Mills und Nidal al-Mughrabi und Maayan Lubell

Doha/Kairo/Jerusalem (Reuters) – Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Freilassung von Geiseln laufen unter Hochdruck.

Die Gespräche in Katar seien in die Schlussphase eingetreten, erklärte die radikal-islamische Hamas am Dienstag. Sie äußerte die Hoffnung, dass diese Runde zu einem Abkommen führen werde. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums sagte, dass es um letzte Details gehe. Noch nie sei man in den vergangenen Monaten einer Vereinbarung so nahe gewesen. Ein offizieller Vertreter Israels sagte, die Gespräche befänden sich in einer kritischen Phase. Einige Details müssten aber noch geklärt werden. “Wir sind nah dran, aber noch nicht da.” Ein palästinensischer Insider sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er gehe davon aus, dass das Abkommen diesen Dienstag abgeschlossen werden könne, “wenn alles gut geht”.

Die katarischen Unterhändler legten Israel und der Hamas nach Angaben eines Regierungsvertreters einen finalen Textentwurf vor, in dem es um eine Feuerpause sowie eine Vereinbarung zur Freilassung von Geiseln gehe. Zuvor habe es einen Durchbruch bei den Gesprächen in Katars Hauptstadt Doha gegeben. Daran teilgenommen hatten unter anderem Brett McGurk, seines Zeichens Vertreter des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden, sowie Steve Witkoff, der künftige Nahost-Sonderbeauftragte Donald Trumps, der am kommenden Montag Bidens Nachfolge antritt. Die USA hatten zuletzt verstärkt auf ein Abkommen noch vor der Amtsübernahme Trumps gedrungen.

Biden sagte am Montag, man stehe “am Rande” einer Einigung. Die Vereinbarung würde zu einem Stopp der Kämpfe führen, zur Freilassung der Geiseln, für Israels Sicherheit sorgen und deutlich mehr humanitäre Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen erlauben.

Die Bemühungen laufen seit Monaten, immer wieder wurden sie unterbrochen, weil sich die Kriegsparteien nicht entscheidend näherkamen. Seit Beginn des Kriegs vor mehr als 15 Monaten gab es nur eine einzige einwöchige Feuerpause, im November 2023. Damals wurden rund die Hälfte der mehr als 250 Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene freigelassen. Etwa einhundert Geiseln werden noch im Gazastreifen vermutet.

Auslöser des Kriegs war ein Massaker der Hamas im Süden Israels am 7. Oktober 2023, bei dem nach Angaben Israels 1200 Menschen umgebracht wurden. Israel reagierte mit einer Militäroffensive, bei der nach palästinensischen Angaben inzwischen mehr als 46.000 Menschen getötet wurden. Der Gazastreifen wurde in weiten Teilen in Schutt und Asche gelegt, die meisten Bewohner wurden obdachlos und müssen unter oft desaströsen Bedingungen ohne ausreichende Hilfe von außen ausharren. Täglich kommen Dutzende weitere Menschen durch die anhaltenden Kämpfe ums Leben. Der Krieg verschärfte zudem die Konflikte im Westjordanland, Libanon, Syrien, Jemen und Irak und schürte Sorgen vor einem Krieg zwischen den Erzfeinden Israel und Iran.

Sollte eine Einigung bei den von Katar ausgerichteten Gesprächen gelingen, würden nach Angaben eines israelischen Regierungsvertreters in einer ersten Phase 33 Geiseln freikommen. Darunter wären Kinder, Frauen – einschließlich Soldatinnen – sowie Männer, die über 50 sind, und Verwundete und Kranke. Israel würde nach und nach einige seiner Truppen abziehen. Nach Angaben eines palästinensischen Insiders sollen im Gegenzug 1000 palästinensische Gefangene während dieser ersten, auf 60 Tage angesetzten Phase freigelassen werden.

In Israels Regierung wurde allerdings Widerstand gegen das anvisierte Abkommen laut. Der ultrarechte Polizeiminister Itamar Ben-Gwir drohte mit einem Rückzug aus der Koalition, sollte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der Vereinbarung zustimmen. Er forderte Finanzminister Bezalel Smotrich auf, sich ihm anzuschließen. Dieser Schritt sei die einzige Chance, eine Ausführung des Abkommens und die Kapitulation Israels vor der Hamas zu verhindern, erklärte Ben-Gwir auf X. Smotrich hatte am Montag gesagt, dass er das Abkommen ablehne. Er drohte aber nicht mit einem Ausstieg aus Netanjahus Koalition. Es wird erwartet, dass eine Mehrheit der Minister dem geplanten Abkommen zustimmen würde. Ein Abgang von Ben-Gwir alleine würde die Netanjahu-Regierung nicht zu Fall bringen.

(geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Sabine Ehrhardt.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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