Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel auf ihrem Zinssenkungskurs behutsam vorgehen.
Die Inflation sei immer noch erhöht, insbesondere die Dienstleistungspreise würden weiter dynamisch steigen, sagte Nagel in einem am Freitag veröffentlichten Interview dem “Platow Brief”. “Ich finde den vorsichtigen Ansatz angesichts der hohen Unsicherheit richtig”, merkte er an. Auf dem Weg der geldpolitischen Normalisierung solle nichts überstürzt werden.
Auf ihrer Dezember-Sitzung hatte die EZB den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz um einen viertel Prozentpunkt auf 3,00 Prozent gesenkt. Es war der vierte Schritt nach unten seit Juni. Auf der Sitzung hatten sich einige Währungshüter Insidern zufolge wegen der Konjunkturflaute im Euroraum zunächst einen größeren Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte gewünscht. Sie hatten unter anderem befürchtet, dass neue US-Zölle das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum weiter dämpfen könnten.
Aus Sicht von Nagel waren die 0,25 Prozentpunkte angemessen. Dies hätten die Inflationszahlen für Deutschland vom Dezember gezeigt. Diese seien wieder etwas höher ausgefallen als vom Markt erwartet. “Ich finde es aber nicht schlimm, dass man auch über 0,5 Prozentpunkte diskutiert”, sagte Nagel. “Das gehört dazu.”
Im Dezember lag die Inflation im Euroraum bei 2,4 Prozent. Besonders hartnäckig blieb die Inflation bei den Dienstleistungen. Hier nahmen die Verbraucherpreise sogar um 4,0 Prozent zu. In Deutschland lag die Teuerungsrate nach europäischer Messung bei 2,8 Prozent. Die EZB strebt für die Euro-Zone eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Dies erachtet sie als optimal für die Wirtschaft. Aktuell geht die EZB davon aus, dass die Inflation im ersten Halbjahr des laufenden Jahres wieder zur Zielmarke zurückkehrt.
NAGEL: “KRYPTO-ASSETS WIE DER BITCOIN SIND DIGITALE TULPEN”
Skeptisch äußerte sich Nagel zu Überlegungen der FDP, dass die EZB und die Bundesbank Kryptowährungen wie Bitcoin als Währungsreserven aufnehmen könnten. “Mir bereitet das Sorgen, weil der Eindruck entsteht, dass man einem Asset eine Art staatliches Gütesiegel gibt”, sagte Nagel. Eine Währungsreserve müsse sicher, liquide und transparent sein. “All das trifft auf den Bitcoin nicht zu.”
Er wünsche sich eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Thema, sagte Nagel. “Aus meiner Sicht ist der Vergleich von ungedeckten Krypto-Assets wie dem Bitcoin mit der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert passend.” Damals habe es in den Niederlanden einen spektakulären Boom gegeben, innerhalb weniger Wochen seien die Preise auf das Zehnfache gestiegen. “Dann platzte die Tulpenblase – und löste die erste Finanzkrise in der neueren Geschichte aus.” Jeder Hype sei irgendwann zu Ende. Für Nagel steht fest: “Krypto-Assets wie der Bitcoin sind digitale Tulpen.”
(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)