Trump plant “Revolution des gesunden Menschenverstands”

– von Steve Holland und Christian Rüttger und Joseph Ax

Washington/Berlin, (Reuters) – Donald Trump lässt keinen Zweifel daran, dass er als neuer US-Präsident eine umfassende Neuausrichtung der USA nach seiner Machtübernahme plant.

In seiner Antrittsrede will er an diesem Montag “eine vollständige Wiederherstellung Amerikas” und “die Revolution des gesunden Menschenverstands” ausrufen. Das geht aus Auszügen des Manuskripts hervor, die wenige Stunden vor Trumps Vereidigung als 47. US-Präsident in Washington die Runde machten. Darin wird auch bekräftigt, dass Trump eine ganze Reihe von Dekreten unterzeichnen will, um erste Maßnahmen einzuleiten. Es wird erwartet, dass er gegen Millionen Einwanderer vorgeht, aber auch ein Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen steht im Raum. Insidern zufolge könnte Trump im Laufe des Tages mehr als 100 solcher “Executive Orders” verfügen. Zusätzliche Handelszölle wird er laut einem Bericht des “Wall Street Journal” allerdings an seinem ersten Arbeitstag nicht verhängen.

Trump soll den Amtseid gegen 18.00 Uhr deutscher Zeit leisten. Die Zeremonie findet in der Kuppelhalle des Kapitols statt. Ursprünglich sollte der 78-Jährige wie bei Amtseinführungen eigentlich üblich unter freiem Himmel auf den Stufen vor dem Kongressgebäude vereidigt werden. Doch wegen eisiger Kälte in der US-Hauptstadt wurde die Veranstaltung kurzfristig in die Rotunde verlegt.

Nach Trumps Vereidigung und der seines Vizepräsidenten J.D. Vance folgt die Antrittsrede. Im Vorfeld hatte Trump einen positiven Grundton in Aussicht gestellt. Das wäre ein starker Kontrast zu seiner ersten Rede als Präsident vor acht Jahren. Damals diagnostizierte er ein “amerikanisches Gemetzel”. In den kursierenden Redeauszügen heißt es: “Ich kehre in das Präsidentenamt voller Zuversicht und Optimismus zurück, dass wir am Anfang einer spannenden neuen Ära des nationalen Erfolgs stehen.” Eine Welle der Veränderung erfasse das Land. “Meine Botschaft an die Amerikaner heute ist, dass es für uns an der Zeit ist, erneut mit Mut, Energie und der Lebenskraft der größten Zivilisation der Geschichte zu handeln.”

REGIEREN PER DEKRET UND MIT RÜCKENDECKUNG VOM KONGRESS

Es ist die zweite Amtszeit des Republikaners nach 2017 bis Anfang 2021. Eine direkte Fortsetzung von Trumps Präsidentschaft wurde damals durch seine Wahlniederlage gegen den Demokraten Joe Biden verhindert. Doch bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen November feierte Trump sein Comeback. Er setzte sich überraschend deutlich gegen seine Kontrahentin Kamala Harris durch und zieht damit zum zweiten Mal ins Weiße Haus ein. Gleichzeitig konnten sich die Republikaner die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus sichern, weshalb Trump beim Regieren bis auf weiteres zumindest auf weitgehende Rückendeckung des Kongresses setzen kann.

Die Feierlichkeiten zur “Inauguration” werden noch bis in den tiefen Abend dauern. In Washington sind zahlreiche Bälle, Empfänge und Partys von Trump-Anhängern geplant, die teils schon vor Tagen scharenweise aus allen Landesteilen in die Hauptstadt strömten. Doch Trump will an seinem ersten Tag als neuer Präsident nicht nur feiern, sondern auch sofort Nägel mit Köpfen machen. Seit Wochen ist die Rede von einer Flut von Dekreten, also Exekutivanordnungen, die es ihm im Prinzip unter Umgehung des Kongresses ermöglichen, auf dem schnellen Dienstweg erste Maßnahmen zu starten. Ein Fokus dürfte auf der Bekämpfung der illegalen Einwanderung liegen. Trump hat mit Massenabschiebungen gedroht. Daneben wird erwartet, dass er die von ihm angekündigte Kehrtwende in der Energiepolitik startet, die eine stärkere Förderung von fossilen Brennstoffen und den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen vorsieht.

Auch in der Handelspolitik will Trump die Weichen neu stellen. Laut “Wall Street Journal” will er ein Memo veröffentlichen, in dem er die zuständigen Behörden anweist, Handelsdefizite und unfaire Handelspraktiken zu untersuchen. Neue Zölle werde er aber am “Day One” im Präsidentenamt nicht verhängen. Im Wahlkampf hatte Trump mit zusätzlichen Abgaben auf Importe aus dem Ausland gedroht, allen voran aus China, Mexiko und Kanada. Aber auch Deutschland und die Europäische Union könnte es treffen. Das schürt Unruhe nicht nur in den Ländern, die als wirtschaftliche und politische Rivalen der USA gelten, sondern auch bei jahrzehntelangen engen Handels- und Bündnispartnern. Deutsche Wirtschaftsverbände und Experten warnten kurz vor Trumps Amtsantritt vor negativen Effekten und Belastungen für die westlichen Industrienationen.

BIDEN BEGNADIGT TRUMP-KRITIKER VORSORGLICH

Erhebliche Eingriffe werden außerdem in gesellschafts- und bildungspolitischen Bereichen erwartet. Befürworter von Diversität, Inklusion, Chancengleichheit, Rassismus-Bekämpfung und einer Stärkung der Rechte von Transmenschen befürchten massive Rückschläge.

Im Wahlkampf drohte Trump zudem unverhohlen damit, gegen seine politischen Gegner zu Felde zu ziehen. Biden begnadigte darum vorbeugend als eine seiner letzten Amtshandlungen am Morgen vor dem Machtwechsel mehrere Trump-Kritiker, darunter seinen Corona-Berater Anthony Fauci sowie Kongressmitglieder, die dem Kongressausschuss zur Untersuchung der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger am 06. Januar 2021 angehörten. Trump wiederum hat in Aussicht gestellt, einige der verurteilten Straftäter zu begnadigen, die vor vier Jahren an den Krawallen und Ausschreitungen in und um das Kongressgebäude beteiligt waren.

Mit Spannung wird zudem erwartet, was Trump mit Blick auf den Krieg in der Ukraine unternimmt. Ursprünglich hatte er versprochen, diesen Konflikt rasch zu lösen. Doch inzwischen ist sein Umfeld davon abgerückt, und auch er selbst hat eingeräumt, dass es komplizierter werden könnte, etwas dahingehend zu erreichen, als im Konflikt zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas, wo seit dem Wochenende eine Waffenruhe herrscht. Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte Trump vorab zur Amtsübernahme und bekräftigte, dass er für einen Dialog mit der neuen US-Regierung über die Ukraine und Atomwaffen offen sei. Er sei eher daran interessiert, einen langfristigen Frieden in der Ukraine zu erzielen, als nur eine kurze Feuerpause.

(geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Sabine Ehrhardt.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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