Deutscher E-Commerce wächst 2024 trotz Rezession – Temu&Shein legen zu

Berlin (Reuters) – Trotz Konjunkturflaute hat der deutsche Onlinehandel 2024 ein leichtes Umsatzplus geschafft.

Die Brutto-Erlöse mit Waren im E-Commerce stiegen um 1,1 Prozent auf 80,6 Milliarden Euro und damit erstmals seit 2021, wie der Branchenverband bevh am Donnerstag mitteilte. Allerdings fiel das Plus nur halb so groß aus wie ursprünglich erwartet. Für 2025 rechnen der bevh und das EHI Retail Institute in einer gemeinsamen Prognose mit einem nominalen Umsatzwachstum von 2,5 Prozent. “Der E-Commerce ist wieder im Plus, obwohl die schlechte Konsumstimmung in Deutschland anhält”, sagte bevh-Präsident Gero Furchheim. Er erwarte ein “mittelfristig verstärktes Wachstum”. Risiken dafür wären neue Krisen, Unsicherheiten etwa im Umfeld der Bundestagswahl und mehr geopolitische Spannungen.

“Bei positiven Impulsen besteht aber das Potenzial zu einem schnelleren Wachstum, insbesondere weil viele Konsumenten mit einer hohen Sparquote Rücklagen gebildet haben”, erklärte Furchheim. Die Waren-Umsätze waren 2022 um knapp neun Prozent gesunken und 2023 sogar um knapp zwölf Prozent.

Im vergangenen Jahr kletterten auch die Umsätze mit digitalen Dienstleistungen wie bei Reisen, Tickets für Flüge und Züge, Kino oder Theater, Mietwagen, Apps und Online-Spiele. Hier gab es ein Plus von 6,1 Prozent auf 13,5 Milliarden Euro. Damit normalisierte sich das Wachstum nach teils starken Nachholeffekten der vergangenen Jahre. Allerdings habe es bei den Dienstleistungen auch starke Preiserhöhungen gegeben, was das Umsatzplus relativiere, erläuterte Furchheim.

FUSSBALL-EM IN DEUTSCHLAND OHNE DEN ERHOFFTEN KONSUMIMPULS

Für Optimismus bei den Online-Händlerinnen und -Händlern sorgt, dass viele Menschen nach einem Impuls auf Social Media-Plattformen im Internet eingekauft haben. Zudem legt der sogenannte Recommerce zu – also der Handel mit gebrauchten und wiederaufbereiteten Artikeln. Der Anteil des Onlinehandels mit Waren am gesamten Einzelhandel im engeren Sinn – also samt Lebensmitteln, aber ohne Apotheken-Umsätze – stabilisierte sich derweil bei zehn Prozent.

Von den insgesamt 20 erfassten Warenkategorien im Onlinehandel erzielten 15 Umsatzzuwächse. Größte Gewinner waren Medikamente (+6,3 Prozent), Lebensmittel (+5,5 Prozent) und Tierbedarf (+5,4 Prozent). Die Umsätze im für den E-Commerce besonders wichtigen Modehandel blieben mit einem Plus von 0,1 Prozent für Bekleidung und 0,8 Prozent für Schuhe fast unverändert. Abermals Umsatzrückgänge hinnehmen mussten hingegen der Onlinehandel mit Elektroartikeln und Telekommunikation (-2,4 Prozent), zu denen besonders Unterhaltungsgeräte zählen. “Hierzu beigetragen hatte auch, dass die Fußball-EM in Deutschland nicht den erhofften Konsumimpuls setzen konnte”, erklärte der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh).

Das Umsatzwachstum im vergangenen Jahr ging ausschließlich auf sogenannte Online-Marktplätze wie Amazon oder eBay zurück, die einen Marktanteil von 55 Prozent haben. Der Branche ist vor allem ein Dorn im Auge, dass Anbieter aus China wie Temu, Shein und Aliexpress sich hier immer größere Stücke vom Kuchen sichern. Der Anteil der Bestellungen bei diesen Anbietern stieg 2024 auf fast sechs Prozent, nach rund 0,5 Prozent 2019. “Die EU muss endlich wirksam durchsetzen, dass über diesen Weg keine unsicheren Produkte in den Markt drängen oder unfaire Wettbewerbsvorteile durch nicht gezahlte Steuern oder Zölle entstehen”, sagte Furchheim zur Konkurrenz aus China. Die EU müsse die zuletzt geschaffenen Gesetze nun entschieden durchsetzen. “Es mangelt am Vollzug, nicht an Regulierung.”

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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