Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft wird dieses Jahr nach Einschätzung des Industrieverbandes BDI unabhängig von drohenden Sonderzöllen des US-Präsidenten Donald Trump schrumpfen.
Die Wirtschaftsleistung dürfte um 0,1 Prozent zurückgehen, während die Weltwirtschaft wohl um 3,2 Prozent wachse und die Euro-Zone noch um 1,1 Prozent, teilte der BDI am Dienstag in Berlin mit. “Die Lage ist sehr ernst. Die Stimmung ist miserabel”, sagte der neue BDI-Präsident Peter Leibinger. Es wäre für Deutschland bereits das dritte Rezessionsjahr in Folge, eine in der Bundesrepublik bisher noch nie dagewesene Flaute. Im Fall neuer Zölle drohe ein stärkerer Rückgang, warnte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner: “Die deutsche Wirtschaft könnte statt um minus 0,1 Prozent um fast ein halbes Prozent schrumpfen.”
Trump hat der EU, aber auch China und den US-Nachbarn Mexiko und Kanada mit Sonderzöllen gedroht. Der Republikaner stört sich an den hohen Handelsdefiziten seines Landes, hat Zölle aber auch mit Fragen der Migration und der Drogenpolitik verknüpft. Die EU sollte jetzt das Gespräch mit Trump suchen und die Tür nicht zuschlagen, so Leibinger. Die Trump-Wahl komme einem Umbruch gleich. “Der Ton wird rauer und neue Zölle könnten die Wirtschaft in Deutschland und der EU empfindlich treffen.”
Schon jetzt ist die Industrie aber verunsichert. “Seit mittlerweile 20 Monaten werden die Exporterwartungen von den Unternehmen mehrheitlich negativ eingeschätzt”, so Gönner. “Dies hat es über einen so langen Zeitraum noch nicht gegeben.” Das Münchner Ifo-Institut teilte zudem mit, das Barometer für die Exporterwartungen der Industrie sei im Januar auf den tiefsten Stand seit einem Jahr gefallen. Es gab auf minus 7,3 Punkte nach, von 6,1 Zählern im Dezember. Demnach rechnen die Industriebetriebe mit sinkenden Ausfuhren. “Der Jahresauftakt in der Exportwirtschaft fiel ernüchternd aus”, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. “Die positive Dynamik im Ausland bleibt für die heimischen Exporteure bisher ohne nennenswerte Wirkung.”
Außerdem nehme die Wettbewerbsintensität deutlich zu, so das Ifo-Institut. Besonders aus China und anderen asiatischen Ländern komme immer mehr Konkurrenz. So boomen in der Volksrepublik Elektroautos aus eigener Produktion. Die meisten Industriebranchen rechnen mit rückläufigen Auslandsumsätzen. “Besonders düster sieht es für die Automobilindustrie aus”, so die Forscher. Auch in der Metallindustrie sind die Erwartungen demnach seit mehr als einem Jahr negativ. Von einem konstanten Geschäft gehen die Unternehmen in der Chemie sowie der Glas- und Keramikherstellung aus. Mit einem Zuwachs im Auslandsgeschäft rechnen dagegen die Hersteller von Getränken sowie elektrischer Ausrüstung. Die Möbelindustrie erwartet steigende Exporte.
STRUKTURELLE REFORMEN GEFORDERT
Der BDI machte die Politik mitverantwortlich für die Wirtschaftskrise. “Jahrelang haben Regierungen wichtige Reformen hinausgeschoben.” Dies müsse sich nach der Bundestagswahl Ende Februar ändern. “Die Unternehmen brauchen zeitnahe Entlastungssignale”, so Leibinger. Zwar seien die finanziellen Spielräume begrenzt, weswegen im Haushalt klare Prioritäten gesetzt werden müssten. “Was Wachstum stärkt, muss Priorität bekommen.” Es brauche vor allem einen Bürokratieabbau, niedrigere Energiepreise sowie Investitionen in die Infrastruktur.
Leibinger sagte, die neue Regierung sollte schnell Duftmarken setzen. Es müssten Hindernisse abgebaut werden, um in Deutschland zu investieren. Planungssicherheit sei dafür nötig. “Die fehlt heute komplett.” Trump hatte zuletzt beim Weltwirtschaftsforum in Davos ausländische Konzerne aufgefordert, neue Fabriken in den USA aufzubauen. Er warb mit niedrigen Steuern und Energiepreisen, schnellen Genehmigungen und wenig Vorschriften. Die USA seien aber auch schon vor Trump ein sehr attraktiver Markt gewesen, der aufnahmefähig für deutsche Produkte sei, so Leibinger.
(Bericht von Christian Krämer und Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)