Banken im Euroraum verschärfen Vergabestandards für Firmenkredite

Frankfurt (Reuters) – Geldhäuser im Euroraum haben laut einer Umfrage der EZB ihre Vergabestandards für Kredite an Unternehmen im Zuge der anhaltenden Konjunkturschwäche verschärft.

Im Schlussquartal 2024 zogen die Banken bei ihren Richtlinien für Darlehen an Firmen die Zügel an, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag zu ihrer jüngsten Kreditumfrage unter 155 Geldhäusern aus dem Euroraum mitteilte. Der Schritt sei auf höhere wahrgenommene Risiken im Zusammenhang mit den Konjunkturaussichten und der branchen- und firmenspezifischen Lage sowie auf eine geringere Risiko-Toleranz der Banken zurückzuführen, erklärte die EZB. Die Verschärfung der Standards sei zudem stärker ausgefallen als vorausgesagt.

Für das laufende erste Quartal wird eine erneute Verschärfung der Standards für Firmenkredite erwartet. Die Ergebnisse des sogenannten “Bank Lending Survey” (BLS) liefern den Währungshütern stets wichtige Hinweise zur Entwicklung der Finanzierungsbedingungen in der 20-Länder-Gemeinschaft. Die turnusmäßige Erhebung unter den Banken fand diesmal vom 10. Dezember bis zum 7. Januar statt.

“Banken der Eurozone werden offensichtlich vorsichtiger bei ihrer Kreditvergabe”, kommentierte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, die Umfrageergebnisse. “Zum Teil dürfte dies auf den Trump-Effekt zurückzuführen sein, der das wahrgenommene Risiko erhöht und den Konjunkturausblick getrübt hat.” De la Rubia zufolge trugen diese Faktoren wesentlich dazu bei, dass Geldhäuser ihre Kreditstandards für Firmen so stark wie zuletzt im dritten Quartal 2023 verschärft haben.

NACHFRAGE DER FIRMEN NACH KREDITEN WEITER VERHALTEN

Die Nachfrage der Unternehmen nach Krediten nahm laut EZB-Umfrage angesichts sinkender Zinsen im vierten Quartal leicht zu. Insgesamt sei aber im Schlussquartal 2024 die Nachfrage schwach geblieben. Die verhaltene Entwicklung spiegele die anhaltend schwache Wirtschaftslage wider, vor allem in einigen investitionsintensiven Bereichen wie der Industrie. Für das laufende erste Quartal wird laut der Umfrage mit einer weitgehend unveränderten Nachfrage der Firmen nach Krediten gerechnet.

Aus Sicht von Bert Colijn, Chefvolkswirt Niederlande beim Bankhaus ING, wird die geringfügig verbesserte Kreditnachfrage kein stärkeres Investitionswachstum nach sich ziehen. Dazu sei die Bewegung zu gering. Die aktuellen Investitionsbedingungen seien zudem nicht sehr attraktiv. “Die niedrige Kapazitätsauslastung in der Industrie und die wirtschaftliche Unsicherheit belasten daher weiterhin das kurzfristige Investitionspotenzial im Euroraum,” glaubt Colijn.

AUCH IN DEUTSCHLAND WERDEN BANKEN VORSICHTIGER

Laut Bundesbank begründeten Finanzinstitute in Deutschland ihre vorsichtigere Haltung bei der Vergabe von Firmenkrediten damit, dass ihre Risikotoleranz gesunken und das Kreditrisiko gestiegen sei. Banken planten für das erste Quartal zudem eine weitere Verschärfung ihrer Vergabestandards. Die Bundesbank verwies dabei auf eine angespannte Wirtschaftslage sowie auf eine gesunkene Bonität der Kreditnehmer.

Die EZB hatte 2024 angesichts einer nachlassenden Inflation den Leitzins vier Mal gesenkt – auf derzeit 3,0 Prozent. Für das laufende Jahr wird am Finanzmarkt mit vier weiteren Schritten nach unten gerechnet. Dabei spielt auch die schwache Konjunktur eine wichtige Rolle. Die EZB geht zudem davon aus, dass die Inflationsrate im Euroraum im ersten Halbjahr wieder zur Notenbank-Zielmarke von 2,0 Prozent zurückkehren wird. Im Dezember lag die Teuerung noch bei 2,4 Prozent. Der nächste Zinsentscheid der EZB steht bereits diesen Donnerstag an. Erwartet wird eine weitere Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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