Migrations-Gesetz der Union scheitert im Bundestag

– von Andreas Rinke und Holger Hansen

Berlin (Reuters) – Der umstrittene Migrations-Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist im Bundestag gescheitert.

338 Abgeordnete stimmten am Freitag für das Vorhaben, 350 dagegen, teilte die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau nach der namentlichen Abstimmung in Berlin mit. Zuvor hatten Union, AfD, FDP und BSW mitgeteilt, für den Gesetzentwurf stimmen zu wollen. Dieser enthält unter anderem einen Stopp des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Die Chancen auf die Umsetzung des von der Union wenige Wochen vor der Bundestagswahl eingebrachten Gesetzentwurfs wären allerdings ohnehin gering gewesen: Auch unions-geführte Länder hatten bereits eine Ablehnung im Bundesrat angekündigt, der erst im März entscheidet.

Strittig war wie schon bei der Abstimmung über Unions-Anträge zur Asyl- und Sicherheitspolitik am Mittwoch vor allem, dass Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) in Kauf nahm, dass diese nur mit Zustimmung der AfD beschlossen werden konnten. Merz rechtfertigte dieses Vorgehen in einer hitzigen Debatte mit dem Handlungsdruck in der Asylpolitik. Die Mehrheit der Menschen erwartete nach den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg und auch wegen “täglich stattfindender Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylmilieu”, dass die Politik handele. Das Vorgehen hatte Empörung bei SPD, Grünen und Linke ausgelöst, die von einem Bruch der Brandmauer zur AfD sprachen und Union sowie FDP vergeblich aufgefordert hatten, den Gesetzentwurf nicht zur Abstimmung zu stellen.

Redner von SPD, Union, Grünen und FDP machten sich in der Debatte heftige Vorwürfe und gegenseitig dafür verantwortlich, dass ein gemeinsamer Beschluss der Parteien der Mitte nicht möglich war. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte zunächst vorgeschlagen, dass man den Entwurf wieder in den Innenausschuss überweist, damit die Parteien dann eine Lösung finden könnten. Nach Beratungen mit der Union nahm er dieses Angebot später zurück. Als Begründung sagte er, man habe Grünen und SPD erfolglos angeboten, auch noch die Reform des europäischen Asylrechts zu beschließen. Beide Parteien hätten aber eine Zustimmung zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz abgelehnt.

Der Gesetzentwurf ist aber nicht nur am Widerstand von SPD, Grünen und Linken gescheitert, sondern weil insgesamt zu wenige Abgeordnete für den Antrag stimmten. Denn Union, AfD, FDP und BSW hätten eigentlich eine Mehrheit gehabt. Viele Abgeordnete nahmen aber gar nicht an der Abstimmung teil. Zuvor hatte es bereits geheißen, dass es Abweichler in der FDP gebe. Bereits am Mittwoch hatte auch einige CDU-Abgeordneten nicht mitgestimmt.

SPD UND GRÜNE: UNION WAR NICHT GESPRÄCHSBEREIT

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warfen der Union vor, keinerlei Bereitschaft zu zeigen, inhaltlich über den Gesetzentwurf zu sprechen. Dieser friss-oder-stirb-Ansatz der CDU/CSU sei nicht akzeptabel, sagte Mützenich. Er hatte Unionskanzlerkandidat Merz aufgefordert, das Gesetz mit Blick auf die mögliche Mehrheit mit der AfD zurückzuziehen. “Das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen”, sagte er.

Der Gesetzentwurf enthält neben der Forderung nach einem Stopp des Familiennachzugs die Aufnahme des Worts “Begrenzung” der illegalen Migration in das Aufenthaltsrecht und eine Ausweitung der Befugnisse für die Bundespolizei. Union und FDP argumentierten, dass dies Forderungen seien, die die SPD früher mitgetragen habe. Sie warfen vor allem den Grünen vor, nötige Reformen zur Begrenzung der illegalen Migration zu verhindern.

Auch die Kirchen, der Zentralrat der Juden und der DGB hatten den Kurs der Union kritisiert. Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel verurteilte das Vorgehen von Merz, mit dem sie eine gegenseitige Abneigung verbindet. Seit Mittwoch gibt es landesweit Demonstrationen gegen die AfD und die CDU. Es kam nach Angaben der CDU auch zu Sachbeschädigungen an CDU-Geschäftsstellen. Davon distanzierten sich SPD- und Grünen-Politiker.

Etliche Politiker von SPD, Grünen und Linken hatten Merz vorgeworfen, sein Wort gebrochen zu haben, keine Mehrheit mit der AfD zu ermöglichen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sogar von der Gefahr, dass die Union nach der Wahl eine Koalition mit der AfD bilden könnte – als Zeitpunkt nannte er etwa Oktober. Der CDU-Chef wies dies in der Debatte und auch hinter verschlossenen Türen in einer Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Teilnehmerangaben deutlich zurück. Es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD nach der Wahl geben, habe Merz in der Sitzung betont. “Sie glauben doch nicht, dass wir denen Hand reichen, die uns vernichten wollen”, sagte er.

(Mitarbeit: Christian Krämer, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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