Alarm nach Zolldrohung Trumps auf Stahlimporte: “Handelskrieg vermeiden”

– von Reinhard Becker und Andreas Rinke und Tom Käckenhoff und Jesús Aguado

Berlin/Washington/Madrid (Reuters) – US-Präsident Donald Trump hat mit angedrohten Zöllen auf Stahl und Aluminium Sorge vor wirtschaftlichen Verwerfungen ausgelöst.

Es sei wichtig, einen Handelskrieg zu vermeiden, sagte der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Luis de Guindos, am Montag. Er sprach von einer Situation enormer Unsicherheit und mahnte die Europäer zur Vorsicht: Manchmal würden ursprüngliche Ankündigungen nicht umgesetzt. Daher müsse man “umsichtig und intelligent” vorgehen. Trump will im Laufe des Tages neue Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Stahl- und Aluminium-Einfuhren in die USA bekanntgeben.

Auch die Bundesregierung sieht die Ankündigungen mit Besorgnis. Wirtschaftsminister Robert Habeck habe am Morgen mit dem zuständigen EU-Kommissar Maros Sefcovic beraten. Er habe zudem mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften bei einem ohnehin anberaumten Termin über das Thema gesprochen. Es gebe aber keinen Automatismus bei der Verhängung von Gegensanktionen. Man werde alles tun, um die Zollerhöhung zu verhindern, betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Auf der anderen Seite würde es durch die höheren Zollkosten in den USA auch zu Handelsumleitungen kommen: “Das würde den Preisdruck erhöhen.”

Hintergrund ist die Befürchtung, dass etwa Stahl aus asiatischen Staaten, der bisher in den USA verkauft wurde, in die EU umgeleitet werden könnte. Laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl mit Hauptsitz in Berlin drohen traditionelle Stahl-Lieferländer durch Strafzölle ihre Absatzmöglichkeiten zu verlieren. Sie könnten sich so verstärkt auf den offenen EU-Markt konzentrieren. Die USA seien traditionell ein Netto-Importeur mit einem Stahl-Handelsdefizit von 17,5 Millionen Tonnen.

Das Wirtschaftsministerium verwies darauf, dass es eine ähnliche Entwicklung wie jetzt auch in der ersten Amtszeit von Trump gegeben habe. Die EU hatte auf damals verhängte neue US-Zölle auf Stahl mit Gegenzöllen auf bestimmte US-Produkte reagiert. In Verhandlungen gelang es allerdings, dass die US-Zölle faktisch aber ausgesetzt wurden, so dass sie die deutschen Unternehmen nicht mehr betrafen.

Brüssel hat eine Reaktion auf die nunmehr geplanten neuen US-Sonderzölle auf Stahl und Aluminium angekündigt. Die EU werde jedoch erst reagieren, wenn sie detaillierte oder schriftliche Klarstellungen erhalten habe. Die EU sehe keinen berechtigten Grund für die Einführung von Zöllen auf ihre Exporte.

Laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl hat der US-Markt einen hohen Stellenwert: Demnach exportiert die EU rund vier Millionen Tonnen in die Vereinigten Staaten. Der US-Markt sei somit die wichtigste Abnehmerregion. Gerade auch für die Stahlindustrie in Deutschland sei der US-Markt von großer Bedeutung, bei jährlichen Exporten von einer Million Tonnen. Das entspricht rund 18 Prozent der Drittlandexporte Deutschlands.

Der Industriekonzern Thyssenkrupp sieht die Lage allerdings relativ gelassen: “Die angekündigten Zölle auf Importe in die USA würden nach jetzigem Kenntnisstand nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Geschäfte von Thyssenkrupp haben”, teilte das Unternehmen mit. Dies gelte insbesondere für die angekündigten Zölle auf Stahl. “Der Hauptmarkt für den Stahl von Thyssenkrupp ist Europa.” Der Export an Stahlprodukten von Thyssenkrupp Steel Europe in die USA sei vernachlässigbar gering.

“NICHT VOR USA IN DIE KNIE GEHEN”

Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) geht davon aus, dass sich die Folgen für Europa in Grenzen halten werden, wenn es bei einer Forderung nach 25 Prozent Zöllen auf Stahl und Aluminium bleibe. Schließlich seien Kanada, Mexiko, Brasilien und Südkorea die wichtigsten Stahllieferanten der USA in Übersee. Zudem kämen die Ankündigungen nicht unerwartet: “Die EU hatte Zeit, sich vorzubereiten und auch die Unternehmer und Unternehmerinnen trifft es nicht überraschend.” Sollten sich die Ankündigungen bestätigen, müsse die EU mit einer Stimme auftreten. Dann gebe es keinen Grund, warum sie als deutlich größere Volkswirtschaft vor den USA “in die Knie gehen sollte”.

BÖRSE ZEIGT SICH UNBEEINDRUCKT

An den europäischen Börsen erregte die Aussicht auf neue US-Zölle gegen die Stahlindustrie zunächst keine Aufregung. Der Dax notierte gegen Mittag 0,2 Prozent fester bei 21.834 Punkten. Der EuroStoxx50 rückte um 0,4 Prozent auf 5344 Zähler vor. “Zur Abwechslung beginnt die neue Handelswoche mal ruhig – Zeit für eine kleine Verschnaufpause auch am deutschen Aktienmarkt”, kommentierte Jürgen Molnar, Stratege vom Broker RoboMarkets. “Man könnte meinen, die Börsen hätten sich an diese Hiobsbotschaften über das Wochenende bereits gewöhnt.”

(Bericht von Jeff Mason und David Lawder, Jesús Aguado, Emma Pinedo, Zuzanna Szymańska, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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