Lohnlücke von Frauen sinkt wie seit Jahren nicht

Berlin (Reuters) – Der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr so stark verringert wie seit mindestens 2006 nicht mehr, bleibt aber deutlich.

Frauen verdienten im Schnitt 16 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. 2023 lag die sogenannte Gender Pay Gap noch bei 18 Prozent. “Das war der stärkste Rückgang seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2006”, so die Statistiker. Dabei blieb der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern im Osten (fünf Prozent) weiterhin deutlich kleiner als im Westen (17 Prozent).

“Es ist erfreulich”, kommentierte die wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), Bettina Kohlrausch, den Rückgang. “Doch auch ein Lohnunterschied von 16 Prozent zwischen Männern und Frauen spiegelt strukturelle Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt wider.” Frauen arbeiteten nach wie vor häufiger in Teilzeit, weil sie deutlich mehr Sorgearbeit als Männer erledigten. Teilzeitarbeit hemme berufliche Aufstiege. “Hier sind die Betriebe in der Pflicht. In Zeiten des Fachkräftemangels sollte bei der Suche nach den besten Köpfen für berufliche Entwicklungen nicht nur auf die männlichen Vollzeitbeschäftigten geschaut werden”, sagte Kohlrausch.

Frauen erhielten 22,24 Euro brutto pro Stunde und damit 4,10 Euro weniger als Männer (26,34 Euro). Den Angaben zufolge lassen sich rund 63 Prozent des Verdienstabstandes durch bestimmte Merkmale erklären – etwa, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird. Zudem sind sie häufiger in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt als Männer, was ebenfalls mit geringeren Bruttostundenverdiensten einhergeht.

“UNGLEICHE AUFTEILUNG”

Die verbleibenden 37 Prozent des Verdienstunterschieds lassen sich nicht durch solche Merkmale erklären. Dies entspricht einem bereinigten Gender Pay Gap von sechs Prozent. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im vergangenen Jahr pro Stunde sechs Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

“Um geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Entlohnung weiter abzubauen, muss die in vielen Paaren ungleiche Aufteilung von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit, also etwa Kinderbetreuung und Hausarbeit, stärker in den Blick genommen werden”, fordert die Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Katharina Wrohlich. Ansatzpunkte seien unter anderem eine Reform des Ehegattensplittings, Anpassungen bei den Minijobs sowie stärkere Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen. “Die Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld wäre hier ein wichtiger Schritt”, sagte Wrohlich.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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