USA und Europa driften in Ukraine-Krieg auseinander

(Neu: Kreml zur Ukraine, Rutte, Starmer, Einzelheiten)

– von Andrew Gray und Alexander Ratz

Brüssel/Berlin (Reuters) – Im Ringen um ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehen Europa und die USA unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump zunehmend getrennte Wege.

Europäische Spitzenpolitiker kritisierten am Donnerstag Zusagen der US-Regierung an Russlands Präsident Wladimir Putin, bevor Verhandlungen über eine Waffenruhe überhaupt in Reichweite seien. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnte vor einer Appeasement-Politik. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nannte das Vorgehen Trumps “bedauerlich”. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, sein Land werde ein bilaterales Abkommen zwischen Russland und den USA nicht akzeptieren.

“Heute ist es wichtig, dass nicht alles nach dem Plan von Putin läuft, der alles tun will, um seine Verhandlungen bilateral (mit den USA) zu führen”, sagte Selenskyj. Zudem forderte er, Europa müsse am Ende des Krieges einen Platz am Verhandlungstisch haben. Der Kreml erklärte am Mittwoch laut amtlicher Nachrichtenagentur RIA, an den Gesprächen mit Trump werde die Ukraine beteiligt. Die Vorbereitungen für Treffen der Präsidenten könnten aber Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen. Als Ort des Treffens wäre die saudische Hauptstadt Riad für beide Seiten passend, meldete RIA.

Trump hatte am Mittwoch in einem Telefonat mit Putin vereinbart, umgehend Gespräche beider Länder zur Beendigung des Krieges aufzunehmen. Die Ukraine oder Europa insgesamt wurden dabei aber nicht genannt. Zudem hatte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth am Mittwoch bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel gesagt, die Ukraine müsse sich darauf einstellen, für einen Frieden Gebiete an Russland abzutreten. Eine Nato-Mitgliedschaft des Landes als Teil eines Friedensabkommens komme für die USA nicht infrage.

SCHOLZ: KEIN “DIKTATFRIEDEN”

Die EU-Außenbeauftragte Kallas sagte, es sei keine gute Taktik, Positionen aufzugeben, bevor Verhandlungen zum Ende des Angriffskriegs gegen die Ukraine überhaupt begonnen hätten. Eine “Appeasement”-Politik werde nicht funktionieren. Ohnehin wäre ein “Deal” zwischen den USA und Russland hinter dem Rücken der Europäer nicht umzusetzen. “Ein schmutziger Deal” werde das Töten nicht stoppen. Auch Pistorius kritisierte beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel: “Die Trump-Administration hat gegenüber Putin schon jetzt, vor Begin der Verhandlungen, öffentlich Zugeständnisse gemacht.” Er verwies dabei auf die Punkte Gebietsabtretungen und Nato-Mitgliedschaft. Darüber hätte man besser erst am Verhandlungstisch gesprochen anstatt es “vorher vom Tisch zu nehmen”.

Pistorius forderte, Europa müsse in die Verhandlungen eingebunden werden, zumal eine Friedenssicherung nach Ansicht der USA dann vor allem eine europäische Aufgabe sein werde. “Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten”, sagte Pistorius. Es müsse aber auch klar sein, dass eine Präsenz der USA in Europa erforderlich sei, um eine wirksame Abschreckung Russlands zu gewährleisten. Auch der britische Premierminister Keir Starmer betonte, die Ukraine müsse im Mittelpunkt bei möglichen Verhandlungen stehen.

Nach dem Treffen in Brüssel bemühte sich Nato-Generalsekretär Mark Rutte allerdings, die Wogen zu glätten und beschwor die Einheit der Allianz. Putin müsse verstehen, dass der Westen geeint sei. “Ich weiß natürlich nicht, was genau Präsident Putin im Sinn hat”, sagte Rutte vor Journalisten. “Er ist ein starker Verhandlungsführer, er ist sehr unberechenbar, aber am Ende brauchen wir ihn, wenn wir ein Friedensabkommen erreichen wollen.”

RUSSLAND: SIND OFFEN FÜR DIALOG

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha warnte: “Über die Ukraine kann man nicht ohne die Ukraine diskutieren, und über Europa kann man nicht ohne Europa diskutieren.” Der Zeitung “Le Monde” sagte er weiter, die Nato-Mitgliedschaft seines Landes sei für das transatlantische Bündnis nach wie vor der kostengünstigste Weg, seine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Es dürfe auch keine Kompromisse geben, die die territoriale Integrität oder Souveränität der Ukraine beeinträchtigten.

Russland indes sieht nach Trumps Vorstoß die Möglichkeit für ein Ende des Krieges. Es geben den politischen Willen, “einen Dialog auf der Suche nach einer Lösung zu führen”, sagte der Sprecher des Präsidialamts in Moskau, Dmitri Peskow. “Es besteht Einigkeit darüber, dass eine friedliche Verhandlungslösung möglich ist.” Die neue US-Regierung vertrete im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin die Auffassung, “dass alles getan werden muss, um den Krieg zu beenden und den Frieden siegen zu lassen”, sagte Peskow. “Wir sind von der Position der jetzigen Regierung mehr beeindruckt und offen für den Dialog.”

Der Krieg in der Ukraine dürfte auch im Zentrum der Münchner Sicherheitskonferenz stehen, die am Freitag beginnt. Erwartet werden dazu unter anderem Selenskyj und US-Vize-Präsident J.D. Vance sowie Bundeskanzler Olaf Scholz. Vertreter der russischen Regierung sind nicht geladen.

(Mitarbeit: John Irish, Lili Bayer, Bart Meijer,; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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