Berlin/Brüssel (Reuters) – Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat die US-Regierung vor einer Abkehr von Europa gewarnt.
“Wenn diejenigen sich durchsetzen, die in Amerika nicht nur ‘America First’, sondern fast schon ‘America Alone’ zu ihrem Motto wählen, dann wird es schwierig”, sagte der wahrscheinliche nächste Bundeskanzler am Montag in Berlin. Er hoffe aber, dass es gelinge, das transatlantische Verhältnis aufrechtzuerhalten. In Brüssel äußerten sich mehrere EU-Außenminister besorgt über das derzeitige transatlantische Verhältnis. “Die Äußerungen aus den USA beunruhigen uns alle”, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas.
Merz hatte bereits am Sonntagabend deutliche Worte in Richtung Washington gerichtet. Nach den jüngsten Aussagen von US-Präsident Donald Trump sei für ihn klar, “dass den Amerikanern, jedenfalls diesem Teil der Amerikaner, dieser Regierung das Schicksal Europas weitgehend gleichgültig ist”. Mit Blick auf den anstehenden Nato-Gipfel im Juni sei er gespannt, “ob wir dann überhaupt noch über die Nato in ihrer gegenwärtigen Verfassung sprechen oder ob wir hier nicht sehr viel schneller eigenständige europäische Verteidigungsfähigkeit herstellen müssen”.
Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp sieht in den Äußerungen von Merz den Beweis für grundlegende Änderungen im transatlantischen Verhältnis. “Das signalisiert, dass wir am Beginn einer neuen Ära stehen”, sagte Veldkamp in Brüssel. “Die Ära, die mit dem Fall der Berliner Mauer begann, ist jetzt zu Ende.” Die Europäer müssten nun “realistische Erwartungen” bezüglich ihres Verhältnisses zu den USA entwickeln. Kallas betonte, Europa und die USA hätten schon früher ihre Differenzen überwunden. “Wir erwarten, dass uns das auch dieses Mal gelingt.”
“WIRD AUCH ZUM SCHADEN VON AMERIKA SEIN”
Merz betonte, gute Beziehungen zwischen Europa und den USA lägen im gegenseitigen Interesse. “Wenn es zerstört werden sollte, wird es nicht nur zum Schaden von Europa sein, es wird auch zum Schaden von Amerika sein.” Es sei allerdings dringend erforderlich, dass die Europäer geeint aufträten. Er habe am Sonntag mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron während dessen Flug nach Washington telefoniert. “Wir haben über die Themen gesprochen, die er mit dem amerikanischen Präsidenten besprechen will. Und ich habe eine vollkommene Übereinstimmung festgestellt zwischen dem, was er vortragen will, und was ich auch in der Sache will”, betonte der CDU-Vorsitzende.
Es sei gut, dass Macron und der britische Ministerpräsident Keir Starmer gemeinsam nach Washington reisten, sagte Merz weiter. Künftig müssten aber auch ein Bundeskanzler und der polnische Ministerpräsident dabei sein. Die SPD solle durch zügige Koalitionsverhandlungen dafür sorgen, dass Deutschland schnell eine handlungsfähige Regierung bekomme, die eine parlamentarische Mehrheit hinter sich habe.
(Bericht von Andreas Rinke, Andrew Gray, Sabine Siebold, Alexander Ratz; redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)