Berlin (Reuters) – Direkt nach der Bundestagswahl könnte Bewegung in die Diskussion um die Schuldenbremse kommen.
CDU-Chef Friedrich Merz kündigte an, in den kommenden Tagen Gespräche mit SPD, Grünen und FDP führen zu wollen, was mit dem bis Ende März noch bestehenden alten Bundestag noch beschlossen werden kann. Hintergrund ist, dass im neuen Bundestag AfD und Linke eine Sperrminorität für Entscheidungen haben, die mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen werden müssen. Merz verwies darauf, dass zu diesen Entscheidungen etwa auch die Ernennung von Richtern am Bundesverfassungsgericht gehöre. Der Sieger der Bundestagswahl wollte sich nicht festlegen, was die Konsequenz der Gespräche sein könne.
Der alte Bundestag könnte rein formell noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages, die nach Angaben der Parlamentsverwaltung voraussichtlich am 24. oder 25. März stattfinden wird, Gesetze und auch eine Reform der Schuldenbremse beschließen. Die Grünen hatten deshalb gefordert, dass man eine Schuldenbremse noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages Ende März beschließen solle, weil es dafür mit Union, SPD und Grünen eine ausreichende Mehrheit gäbe.
Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte seinen Vorschlag einer schnellen Reform, den auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) gemacht hatte. Es werde mehr Geld für Verteidigung und für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft erforderlich sein. Habeck hatte bereits Sonntagabend vorgeschlagen, die Frage der Schuldenbremse vor den eigentlichen Koalitionsverhandlungen zu klären, weil man schnelle Entscheidungen brauche.
In den vergangenen Monaten hatten vor allem SPD, Grüne, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gefordert, die im Grundgesetz festgeschriebene Begrenzung der Kreditaufnahme für Ausgaben für Verteidigung und Investitionen zu lockern. Auch CDU-Ministerpräsidenten dringen darauf, weil die Länder anders als der Bund überhaupt keine Verschuldungsmöglichkeit mehr haben. Eine Alternative wäre eine neue milliardenschwere Kreditlinie wie das Sondervermögen Bundeswehr. Auch diese benötigt aber eine Zweidrittel-Mehrheit. Sowohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) als auch der CDU-Vorsitzende erinnerten daran, dass dies nicht das erste Mal wäre, dass der alte Bundestag nach der Wahl wichtige Entscheidungen getroffen hat. So hatte das Parlament in seiner alten Zusammensetzung nach der Wahl 1998 einem Auslandseinsatz der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien zugestimmt.
Merz hatte eine Reform jedoch bis zur Wahl aus zwei Gründen abgelehnt: Zum einen blickte man in der Union auf die politischen Konkurrenten FDP und AfD, die eine Lockerung vehement ablehnen. Zum anderen argumentierte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, noch am Montag, dass eine Reform gar nicht nötig sei. Der Staat habe etwa 1000 Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr, sagte er. “Deswegen erfordert die Situation eine Neupriorisierung staatlicher Aufgaben. Das ist anstrengend, das ist anspruchsvoll, aber dem muss sich auch eine neue Bundesregierung unterziehen”, betonte er. Dem stimmte auch Merz am Montag zu. “Die Schuldenbremse bleibt”, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in München.
Obwohl es in der SPD Sympathie für eine schnelle Reform gibt, äußerte sich auch Finanzminister Jörg Kukies (SPD) im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters skeptisch. Für ein solches Manöver gebe es viel zu wenig Zeit. “Aus meiner Sicht wäre es auch ein fragwürdiges politisches Signal, wenn man jetzt noch mit einer alten Mehrheit noch Verfassungsänderungen machen würde”, fügte der SPD-Politiker hinzu. Die Entscheidung liege aber letztlich beim Parlament.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer lehnte dies ab. “Das Parlament ist am Ende”, sagte er. Das Wahlergebnis zeige die Zerrissenheit des Landes, mit der man nun umgehen müsse. “Wenn man die Verschuldungsregeln ändern will, muss man es eben auch mit der Linkspartei besprechen”, betonte er und verwies auf die ebenfalls schwierige politische Situation in Sachsen. “Das ist nun mal so.”
Die Linke will für eine Zustimmung zu einer Reform der Schuldenbremse Bedingungen stellen. Es müsse mehr in die “soziale Infrastruktur” investiert werden, sagte Co-Parteichefin Ines Schwerdtner am Montag in Berlin. Die nächste Regierung müsse die Reform jetzt anstoßen. “Friedrich Merz wird da in den sauren Apfel beißen.” Dies könne zunächst abgewartet werden. “Wir waren von Anfang an gegen die Schuldenbremse.” Sie verhindere Investitionen in Deutschland. Es könne aber nicht um mehr Geld fürs Militär gehen. “Für Aufrüstung werden wir nicht stimmen”, sagte sie.
(Bericht von Andreas Rinke, Christian Krämer, Holger Hansen, Jörn Poltz, Alexander Ratz; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)