Außenhandel und Investitionen belasten deutsche Wirtschaft Ende 2024

Berlin (Reuters) – Schwache Exporte und maue Investitionen haben die deutsche Wirtschaft Ende 2024 spürbar gebremst.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel von Oktober bis Dezember um 0,2 Prozent zum dritten Quartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte und eine frühere Schätzung bestätigte. Im Sommer hatte es noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent gegeben. Während die privaten und staatlichen Konsumausgaben im Herbst zulegten, verlor der Außenhandel verstärkt an Fahrt. Zudem sanken die Investitionen der Firmen das fünfte Quartal in Folge. “Die Schwäche im globalen verarbeitenden Gewerbe trifft die exportabhängige deutsche Wirtschaft im Schlussquartal ins Mark”, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Wegen der schwachen inländischen Nachfrage gehe “das BIP zwangsweise zurück”.

Die Exporte sanken um 2,2 Prozent zum Vorquartal und damit so stark wie zuletzt im Frühjahr des ersten Corona-Jahres 2020, während die Importe um 0,5 Prozent stiegen. Damit bremste der Außenhandel das Wirtschaftswachstum unter dem Strich um 1,2 Prozentpunkte. Im Februar jedoch hellte sich die Stimmung unter den Exporteuren etwas auf. Das Barometer für die Exporterwartungen stieg auf minus 5,0 Punkte von minus 7,1 Zählern im Januar, wie das Münchner Ifo-Institut zu seiner Unternehmensumfrage mitteilte. Das ist der beste Wert seit Juli 2024. Allerdings verharrt er seit mittlerweile fast zwei Jahren im negativen Bereich. “Der Exportwirtschaft fehlt es an Dynamik und Aufbruchstimmung”, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. “Die heimischen Unternehmen warten weiter auf einen Anstieg der Nachfrage aus dem Ausland.”

WACHSTUMSIMPULSE DER NEUEN KOALITION ERWARTET

Leichte Impulse kamen Ende 2024 von den Konsumausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher, die um 0,1 Prozent zulegten. Der Staatskonsum kletterte zum Sommer um 0,4 Prozent. Die Investitionen in Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – sanken hingegen um 0,3 Prozent. Damit habe sich der Trend des schwachen Gesamtjahres 2024 fortgesetzt, sagte Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. “Um die aktuelle Wachstumsschwäche zu überwinden, sollte die neue Koalition zielgerichtet die Ursachen angehen”, sagte Dullien. “Wichtig wären hier neben einer Stabilisierung der Energiepreise durch einen Brückenstrompreis und eine neue Industriepolitik für Schlüsselbranchen auch eine kreditfinanzierte öffentliche Investitionsoffensive in Infrastruktur und Bildung.”

Im Gesamtjahr 2024 schrumpfte Europas größte Volkswirtschaft um 0,2 Prozent, nachdem sie 2023 schon ein Minus von 0,3 Prozent wegstecken musste. Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es zuletzt 2002/03. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für 2025 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent und die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) befürchtet sogar ein Minus von 0,5 Prozent. Es wäre die längste Konjunkturflaute in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die nächste Bundesregierung mit dem voraussichtlichen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kann vorerst nicht mit Rückenwind der Konjunktur rechnen. Denn die Stimmung in den Führungsetagen der Unternehmen tritt auf der Stelle. Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Barometer für die Konjunktur in Deutschland verharrte im Februar nur auf dem Vormonatsniveau.

Die Volkswirte der Deutschen Bank warnten vor kurzfristig zu hohen Erwartungen an die künftige Koalition: “Falls eine neue Bundesregierung expansive haushaltspolitische Maßnahmen ergreifen sollte, würden sie sich kaum noch in 2025 auf die Konjunktur auswirken.” Dies gelte umso mehr für die von der Wirtschafts-Lobby geforderten angebotspolitischen Reformen.

Der deutsche Staat verzeichnete 2024 trotz Rekordeinnahmen eine höhere Neuverschuldung. Die Ausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung überstiegen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Einnahmen um rund 118,8 Milliarden Euro. Bislang war von 113 Milliarden Euro die Rede gewesen. Damit fiel das Defizit um 15 Milliarden Euro höher aus als 2023. Die Summe entspricht einem Defizit von 2,8 (2023: 2,5) Prozent des BIP. Der EU-Wachstums- und Stabilitätspakt sieht eine Obergrenze von drei Prozent vor, die von Ländern wie Frankreich seit Jahren gerissen wird.

(Bericht von Klaus Lauer und Rene Wagner, Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL1O06T-VIEWIMAGE