Berlin (Reuters) – Die Wirtschaft beklagt eine deutliche Verschlechterung der Standortbedingungen in Deutschland.
Die nächste Bundesregierung müsse hier ansetzen und für die Wende sorgen, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, am Dienstag in Berlin. “Für die Unternehmen ist der Standort Deutschland derzeit nur noch bedingt wettbewerbsfähig. In der Vergangenheit wurde viel Vertrauen zerstört.” Dies müsse wieder aufgebaut werden.
Die DIHK hat von Ende Januar bis Anfang Februar rund 4000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen Deutschlands befragt. 95 Prozent der Firmen gaben dabei an, ein spürbarer Bürokratieabbau müsse Priorität haben. 70 Prozent forderten eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, 69 Prozent eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung. Erst später kommen Forderungen nach niedrigeren Unternehmenssteuern und einem Ausbau der Infrastruktur. Adrian sagte, die bisherigen Gesetze zur Bürokratie-Entlastung seien nicht ausreichend gewesen. “Für jede neue Verpflichtung müssen mindestens zwei vorhandene gestrichen werden, besser sogar drei.”
89 Prozent der befragten Unternehmen bemängeln im Vergleich mit der vorherigen Bundestagswahl bei der Verlässlichkeit der Wirtschaftspolitik eine Verschlechterung. 87 Prozent sehen dies bei Bürokratie und Auflagen. Bei der Qualität der Verwaltung sind noch 65 Prozent negativer gestimmt.
Nach der Bundestagswahl vom Sonntag wollen Union und SPD eine Koalition ausloten. CDU-Chef Friedrich Merz, der vermutlich nächster Bundeskanzler wird, will die Verhandlungen bis Ostern abschließen. Adrian sagte, die beiden Parteien hätten erkannt, dass es andere Rahmenbedingungen brauche. Er sei zuversichtlich, dass es grundlegende Änderungen in der Verteidigungs- und auch Wirtschaftspolitik geben werde. Es brauche einen unternehmensfreundlicheren Kurs.
Die DIHK sagt auch 2025 eine schrumpfende Wirtschaftsleistung voraus, dieses Mal um 0,5 Prozent. Es wäre bereits das dritte Rezessionsjahr in Folge. Das hat es in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Die Grundstoffindustrie leide unter den hohen Energiepreisen, so Adrian. Auch der Automobilsektor und der Maschinenbau schwächelten, ebenso wie die Bau- und Immobilienbranche.
Die EU-Kommission will diese Woche konkrete Vorschläge für ein schlankeres und effizienteres Europa machen. Adrian sprach von einem ernsthaften Versprechen der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bürokratie abzubauen. Es brauche aber noch mehr Ambition.
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)