Ölkonzerne OMV und Adnoc schmieden neuen Chemie-Riesen

– von Alexandra Schwarz-Goerlich

Wien (Reuters) – Nach zähen Verhandlungen haben sich der österreichische Ölkonzern OMV und sein arabischer Kernaktionär Adnoc auf die Gründung eines neuen Chemieriesen mit einem Unternehmenswert von 60 Milliarden Dollar geeinigt.

Dafür sollen die beiden Petrochemietöchter Borealis und Borouge miteinander verschmolzen werden, während gleichzeitig der kanadische Chemiekonzern Nova Chemicals für 9,38 Milliarden Euro übernommen werde, wie OMV mitteilte.

Der neue Konzern namens Borouge Group International werde zu den vier größten Polyolefinunternehmen weltweit gehören und zu gleichen Teilen im Besitz von OMV und Adnoc sein. Um gleichberechtigte Partner zu sein, werde die OMV 1,6 Milliarden Euro an Eigenkapital in das Gemeinschaftsunternehmen einbringen – weniger als ursprünglich von Analysten erwartet. Diese Summe werde noch um gezahlte Dividenden angepasst. Anleger reagierten erfreut. Die OMV-Aktien stiegen an der Wiener Börse bis zu vier Prozent. “Der Preis von 1,6 Milliarden Euro abzüglich Dividenden scheint attraktiv”, urteilten die Analysten der Erste Group. Sie hatten mit etwa drei Milliarden Euro gerechnet.

Der Sitz des Unternehmens soll in Österreich sein, die Börsennotierung in Abu Dhabi. Borouge ist dort bereits gelistet. Bis Ende 2027 ist aber auch eine Notierung an der Wiener Börse im Leitindex ATX geplant. Die Marktkapitalisierung des neuen Konzerns bezifferte der OMV-Hauptaktionär, die österreichische Staatsholding ÖBAG, mit knapp 40 Milliarden Euro.

Die Verhandlungen zwischen OMV und Adnoc über die Fusion ihrer Polyolefin-Geschäfte dauerten mehr als anderthalb Jahre. OMV-Chef Alfred Stern bezeichnete die Transaktion als “aufregenden Schritt nach vorne”, der die Wachstumsstrategie von OMV im Chemiesegment beschleunigen und die Entwicklung hin zu einem führenden Unternehmen für nachhaltige Chemikalien, Kraftstoffe und Energie vorantreiben werde.

Die OMV, die zu 31,5 Prozent der ÖBAG gehört, hält 75 Prozent an Borealis. Adnoc hält direkt 25 Prozent. Borouge wiederum gehört zu 54 Prozent Adnoc und zu 36 Prozent Borealis. Die gegenseitigen Beteiligungen machten die Verhandlungen äußerst komplex.

Adnoc-Chef Sultan Ahmed Al Jaber sieht das Geschäft als einen bedeutenden Meilenstein in der globalen Chemiestrategie von Adnoc: “Aufbauend auf unsere 25-jährige strategische Partnerschaft mit der OMV schaffen wir einen neuen Branchenriesen mit einem Portfolio hochwertiger Produkte, modernster Technologie und globaler Marktpräsenz.” Die Fusion von Borealis und Borouge sowie die Übernahme von Nova Chemicals würden den Führungsanspruch im globalen Chemiesektor festigen, hieß es. Der staatliche Ölkonzern aus Abu Dhabi verfolgt derzeit eine massive Wachstumsstrategie. Erst kürzlich hatte sich Adnoc die Mehrheit am deutschen Chemiekonzern Covestro gesichert.

Die Beteiligungsholding ÖBAG sieht in dem Geschäft eine gute Nachricht für den Standort Österreich. “Ich begrüße die nach vielen Monaten mit teilweise intensiven Verhandlungsrunden erzielte Einigung zwischen unserem Beteiligungsunternehmen OMV und der Adnoc über die Schaffung eines Marktführers im Bereich Polyolefine”, sagte ÖBAG-Chefin Edith Hlawati. Der Staatsholding sei es wichtig gewesen, ein “Österreich-Paket” auszuverhandeln, das nicht nur den Firmensitz in Österreich sicherstellt, sondern auch Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung schaffen wird sowie den Kapitalmarkt fördert.

DETAILS DES DEALS

Den aktuellen Streubesitzaktionären von Borouge sollen Aktien an der neuen Gesellschaft angeboten werden. Falls alle Aktionäre das Angebot annehmen, würden OMV und Adnoc jeweils 46,94 Prozent halten, während der Streubesitz 6,12 Prozent betragen würde. Die Finanzierung des Kaufs von Nova Chemicals vom Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi soll über eine Brückenfinanzierung erfolgen, die später durch eine Kapitalerhöhung von voraussichtlich bis zu vier Milliarden Euro refinanziert werden soll. OMV und Adnoc haben nicht vor, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, was den Streubesitz weiter erhöhen würde.

Adnoc erhalte das Recht, den Aufsichtsratsvorsitz zu bestimmen, während der Vorstand einvernehmlich von beiden Partnern bestellt werde. Insgesamt sollen je fünf Vertreter von OMV und Adnoc in das Kontrollgremium berufen werden, zusätzlich zu voraussichtlich fünf Arbeitnehmervertretern. Zur Unterstützung der Integration und zur Hebung von Synergien – insbesondere mit Blick auf Nova Chemicals – sollen Adnoc vorübergehend bestimmte Sonderrechte eingeräumt werden. Den Abschluss der Transaktionen erwartet OMV vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen für das erste Quartal 2026.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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