Berlin (Reuters) – Nach der schnellen Einigung auf ein umfangreiches Finanzpaket ziehen sich die Sondierungsverhandlungen zwischen Union und SPD wohl bis ins Wochenende.
Am Freitagnachmittag deuteten Vertreter beider Fraktionen an, dass eine Einigung auf ein gemeinsames Papier als Grundlage für formale Koalitionsverhandlungen noch Zeit brauche. “Dass wir heute fertig werden, das ist nicht zu erwarten”, hatte die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken bereits am Morgen gesagt. “Aber wir kommen gut voran. Die Atmosphäre ist gut, sie ist konstruktiv. Und ich bin zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen.” Einigen “aufgemuskelten” Sondierern stecke aber wohl noch der Wahlkampf in den Knochen, schränkte sie ein. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, man fühle sich auf einem guten Weg. Man müsse aber davon ausgehen, dass auch das Wochenende noch genutzt werde.
Im Mittelpunkt der Gespräche steht derzeit neben einer Reform des Bürgergelds die Migrationspolitik, ein zentrales Thema für die Union. Eine grundsätzliche Zurückweisung an den Grenzen hat SPD-Co-Chef Lars Klingbeil bereits abgelehnt. Aus der SPD kamen aber Stimmen, dass eine Einigung möglich sei. “Die Gespräche beim Migrationsgipfel im Herbst können dabei ein solides Fundament sein, auf das wir aufbauen können”, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese zu “Bild”. Damals hatten sich die Ampel-Koalition und die Union beraten. Von der Union geforderte umfassende Zurückweisungen von Migranten an den Grenzen hatte die Ampel abgelehnt. SPD, Grüne und FDP hatten aber signalisiert, dass eine schnellere Rückführung von Migranten in europäische Länder, wo sie bereits registriert wurden, ein gangbarer Weg wäre. Eine Einigung gab es nicht.
UNION UND SPD HABEN FINANZIERUNGSFRAGE GEKLÄRT
Union und SPD hatten sich bereits am Dienstag auf einen Finanzrahmen für Verteidigung und Investitionen geeinigt und wollen deswegen die Regeln der Schuldenbremse ändern. Dafür sind in der nächsten Woche Beratungen über eine Grundgesetzänderung noch im bisherigen Bundestag vorgesehen. Dafür brauchen Union und SPD aber Grüne oder FDP, um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Im neuen Bundestag hätten dagegen AfD und Linke eine Sperrminorität. Die FDP ist im neuen Parlament nicht mehr vertreten.
Während die FDP bereits scharfe Kritik am Vorhaben und vor allem Änderungen der Schuldenbremse äußerte, haben sich die Grünen dem nicht verschlossen. Es gilt aber als sicher, dass sie dafür Mittel aus dem geplanten, schuldenfinanzierten Investitionspaket von bis zu 500 Milliarden Euro etwa für den Klimaschutz sichern wollen.
Vertreter der Grünen stießen am Freitagvormittag zu den Verhandlern von Union und SPD. Die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann verließen den Verhandlungsort allerdings in weniger als einer Stunde wieder. Zum Verlauf des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.
Bei Linken, BSW und AfD gibt es Kritik daran, dass der alte Bundestag nach den Wahlen überhaupt noch über die Änderung des Grundgesetzes entscheiden soll. Die Fraktion habe Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mit anwaltlichem Schreiben aufgefordert, die geplanten Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages etwa am 13. März abzusagen, teilte die Fraktion mit. Nach Ansicht der AfD ist bereits die Einberufung nichtig. So hätten nur die Fraktionsführungen von CDU und SPD eine Einberufung des Bundestages gefordert, nicht aber wie vom Grundgesetz gefordert formal ein Drittel aller Abgeordneten. Zudem bezweifele die AfD-Fraktion grundsätzlich, dass die Bundestagspräsidentin den Bundestag in seiner alten Zusammensetzung zu weiteren außerordentlichen Sitzungen einberufen darf, zumal es sich nicht um eine Notlage handele. Auch die Linke hat bereits gedroht, sie könnte gegen das Verfahren vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
(Bericht von: Markus Wacket, Reuters TV, Andreas Rinke, Holger Hansen; redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)