“Epoche der Aufrüstung” treibt Rheinmetall zu neuen Rekorden

– von Matthias Inverardi

Düsseldorf (Reuters) – Steigende Rüstungsausgaben europäischer Staaten bescheren Rheinmetall ein für den Düsseldorfer Konzern beispielloses Wachstum.

“Eine Epoche der Aufrüstung in Europa hat begonnen, die uns allen viel abverlangen wird”, sagte Konzernchef Armin Papperger am Mittwoch. “Sie bringt uns bei Rheinmetall für die kommenden Jahre aber auch Wachstumsperspektiven, wie wir sie noch nie erlebt haben.” Das Unternehmen werde damit zum “Jobmotor” in Deutschland und könne vielleicht sogar das VW-Werk in Osnabrück übernehmen. Die Belegschaft will Papperger binnen zwei Jahren von derzeit 32.000 auf 40.000 aufstocken. Rechne man Zulieferer mit ein, seien es 120.000 Stellen. Aber auch durch Zukäufe könnte Rheinmetall wachsen, so Papperger. Die Fühler könne man etwa nach dem Panzer-Hersteller KNDS ausstrecken: “Wenn KNDS an die Börse geht und sich daraus eine Möglichkeit ergibt, etwas zu tun, dann werden wir etwas tun.”

Der Umsatz solle 2025 um 25 bis 30 Prozent steigen, im militärischen Geschäft sogar um 35 bis 40 Prozent, kündigte Papperger an. Zugleich will der Konzern profitabler arbeiten – die operative Ergebnisrendite soll auf rund 15,5 (Vorjahr: 15,2) Prozent zulegen. Dabei berücksichtigt die Prognose “noch nicht die Verbesserung des Marktpotenzials, die sich (…) aufgrund der geopolitischen Entwicklungen in den zurückliegenden Wochen voraussichtlich ergeben wird”. Die Bundesrepublik und Länder der Europäischen Union wollen ihre Verteidigungsausgaben massiv erhöhen. Davon wird auch Rheinmetall profitieren.

Der russische Überfall auf die Ukraine hat für die westliche Rüstungsindustrie die Wende gebracht. Die Branche wird dringend für die Stärkung der Streitkräfte gebraucht. Zusätzliche Dynamik gewinnt die Industrie durch die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump, der auf höhere Rüstungsausgaben der Nato-Staaten pocht und die USA zugleich von den liberalen Demokratien Europas abrücken lässt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte mehrfach an die Rüstungsindustrie appelliert, ihre Produktion zu steigern. Nun kommen weitere Anforderungen hinzu. Das spielt Rheinmetall in die Karten. “Rheinmetall stellt sich den Herausforderungen der Zeitenwende 2.0”, sagte Papperger. “Wir sind darauf gut vorbereitet.”

PANZER STATT AUTOS – PRODUKTION IN VW-WERK?

Rheinmetall erwägt derzeit, Teile seiner zivilen Produktion für die Autoindustrie auf die boomende Fertigung für das Militär umzustellen. Zwei Werke in Neuss und Berlin wären davon betroffen, hatte Rheinmetall angekündigt. “Es kann aber durchaus sein, dass wir noch mehr Werke umwandeln”, sagte Papperger nun. Rheinmetall verfüge über 22 Werke weltweit, die Güter für die zivile Nutzung herstellen. Der Konzern könnte aber auch Werke etwa von Autoherstellern wie Volkswagen übernehmen – wenn die Voraussetzungen dafür stimmten. Für Panzer brauche man in den Fabriken etwa Schwerlastkräne und eine entsprechende Tragkraft der Gebäude. Zudem benötige Rheinmetall Großaufträge etwa für Lynx-Panzer. “Dann ist das möglich”, sagte Papperger.

Rheinmetall hatte 2024 einen Umsatzanstieg von 36 Prozent auf rund 9,7 Milliarden Euro verbucht. Das operative Ergebnis (Ebit vor Sondereffekten) stieg um 61 Prozent auf 1,478 Milliarden Euro. Vor allem das margenstarke Geschäft mit Waffen und Munition trug dazu bei. Einen Umsatzrückgang von zwei Prozent auf zwei Milliarden Euro gab es dagegen in der Sparte Power Systems, die unter der Schwäche der Autoindustrie litt. Auch der Gewinn schrumpfte hier. Finde sich der richtige Käufer, könnte sich Rheinmetall von der Sparte trennen, sagte Papperger. Im Gesamtkonzern erreichte der Auftragsbestand den Rekordwert von 55 Milliarden Euro. Die Aktionäre sollen für 2024 eine kräftig erhöhte Dividende von 8,10 (Vorjahr: 5,70) Euro je Anteilsschein erhalten.

Papperger will Rheinmetall erklärtermaßen zum “globalen Rüstungschampion” formen. Dabei setzt der Konzern neben Munition, Drohnen und Digitalisierung der Streitkräfte unter anderem auch auf Panzer. In Italien hat er ein Gemeinschaftsprojekt mit Leonardo geschmiedet, das milliardenschwere Panzer-Aufträge erwartet. Zusammen mit KNDS und Thales will Rheinmetall zudem bis 2040 die Kampfpanzer Leopard 2 und Leclerc durch ein plattformübergreifendes Bodenkampfsystem ersetzen. Im Falle eines Börsengangs könnte Rheinmetall bei KNDS aktiv werden, sagte Papperger. In den USA buhlt Rheinmetall um den Zuschlag für die Entwicklung eines Nachfolgers des US-Schützenpanzers Bradley. Er rechne sich auch unter Trump Chancen auf den Auftrag aus, sagte Papperger. Dieser Milliarden-Auftrag wäre ebenfalls noch nicht in seinen Prognosen enthalten.

Die Rheinmetall-Aktie stieg am Mittwoch um 7,5 Prozent auf 1251 Euro. Damit hat sich der Kurs binnen eines Jahres mehr als verdoppelt. Kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 war sie noch für unter 100 Euro zu haben gewesen.

(Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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