Regierungskreise – Bund rückt von Plan für Kohle-Reserve ab

– von Markus Wacket

Berlin (Reuters) – Deutschland rückt Regierungs- und Branchenkreisen zufolge von den Plänen für eine nationale Steinkohle-Reserve ab.

Das Vorhaben habe keine Priorität mehr, sagten Vertreter von Regierung und Energiebranche am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Dies sei Tenor nach einem Treffen der Regierung mit Versorgern gewesen. Hintergrund sei, dass auch nach dem beschlossenen Boykott russischer Kohle-Lieferungen ausreichende Mengen auf dem Weltmarkt zur Verfügung stünden. Mit dem Aufbau einer Reserve hätte man dagegen die ohnehin stark gestiegenen Preise noch weiter hoch getrieben. Deutschland ist größter Importeur von Steinkohle in der EU. In den vergangenen Jahren lag der Anteil russischer Kohle bei über 50 Prozent. Zuletzt war er aber auf unter zehn Prozent gesunken, ohne dass eine Gefahr für die Versorgung der Kraftwerke entstand.

In einem internen Papier der Regierung von Ende April, das Reuters vorliegt, hatte sich die Wende des Bundeswirtschafts- und Klimaministeriums (BMWK) bereits abgezeichnet. “BMWK muss aufgrund des beschlossenen Kohleembargos die Einführung einer verpflichtenden Steinkohlebevorratung (strategische Steinkohlereserve) neu bewerten”, heißt es dort.

KOHLE-RESERVE WAR NACH VORBILD ÖL-RESERVE GEPLANT

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine den Aufbau von Energie-Reserven angekündigt, die nach dem Vorbild der Öl-Reserve gebildet werden könnten. Öl hält Deutschland für eine Versorgung von drei Monaten vor. Eine ähnliche Frist wurde in Regierungskreisen für die Steinkohle diskutiert. Beim Gas hat man den Weg gesetzlich über Mindest-Füllstände der Speicher gewählt. Mehr als bei Gas und Öl hatte sich bei der Kohle allerdings die Frage der Lagerflächen gestellt, die für solche Mengen benötigt werden. Auch daher suchte man eine Abstimmung innerhalb der EU. Bedenken hatte es im Wirtschaftsministerium auch wegen der Effekte eines schnellen Kaufs über die Weltmärkte gegeben, da Kohle so für andere, ärmere Länder noch teurer werden würde.

Im vergangenen Jahr importierte Deutschland gut 32 Millionen Tonnen Steinkohle, eine heimische Förderung gibt es nicht mehr. Wichtige Lieferländer sind Australien, die USA und Kolumbien. Rund 14 Prozent des Stroms in Deutschland wurden in Steinkohle-Meilern produziert. Der Bedarf an Kohle steigt tendenziell, da Deutschland weniger des knappen Gases in Kraftwerken verfeuern will. Daher ist auch vorgesehen, Kohlekraftwerke als Reserve am Netz zu halten, obwohl diese Zug um Zug eigentlich abgeschaltet werden sollten.

Die EU hatte im Rahmen ihres fünften Sanktionspaket im April ein Embargo für russische Steinkohle in Kraft gesetzt. Es enthält allerdings Übergangsfristen, so dass bis August noch Kohle von dort bezogen werden darf.

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