– von Rene Wagner und Klaus Lauer
Berlin (Reuters) – Mehr Konsum und höhere Investitionen haben der deutschen Wirtschaft Anfang 2025 zu Wachstum verholfen und damit auch die Euro-Zone angeschoben.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Januar bis März um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Eine Rezession wurde damit verhindert: Im Schlussvierteljahr 2024 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,2 Prozent geschrumpft. Zwei Minusquartale in Folge gelten als technische Rezession. In den 20 Euro-Ländern kletterte das BIP mit insgesamt 0,4 Prozent nun doppelt so stark wie erwartet. Impulse lieferten vor allem Länder wie Spanien und Italien. “Der europäische Süden hängt den Norden einmal mehr ab”, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank.
Für den positiven Jahresauftakt in Deutschland sorgten steigende private Konsumausgaben und Investitionen, erklärten die Statistiker. Die Kaufkraft der Verbraucher ist zuletzt durch steigende Löhne und sinkende Inflation gestärkt worden. Die Kreditkosten von Unternehmen sind wegen der sinkenden Leitzinsen der Europäischen Zentralbank gefallen, was bei größeren Investitionen hilft. Ökonomen warnten aber vor Euphorie. “Mal runter, mal rauf – die Wellblechkonjunktur hat das nächste Kapitel geschrieben”, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank mit Verweis auf die schwankenden Konjunkturdaten der vergangenen Quartale. “Am Ende bleibt es dabei, dass die Wirtschaft nicht vom Fleck kommt.” Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer betonte, “dass die deutsche Wirtschaft nicht vor einer langjährigen, kräftigen Erholung steht”. Zwar dürfte das riesige Finanzpaket der künftigen Bundesregierung die Konjunktur 2026 anschieben. “Aber viele Unternehmen vermissen in Deutschland einen wirtschaftspolitischen Neustart, der nach der jahrelangen Erosion der Standortqualität notwendig wäre.”
“SCHARFER GEGENWIND”
Hinzu kommt der von US-Präsident Donald Trump eskalierte Handelskrieg mit höheren Zöllen auch auf deutsche Waren. “Kein Zweifel: Deutsche Exporte bekommen einen scharfen Gegenwind durch die US-Wirtschaftspolitik”, sagte Ökonom Michael Herzum von der Fondsgesellschaft Union Investment. “Der im April in Kraft getretene spürbare Anstieg der Zölle auf Importe aus der EU sowie die Androhung weiterer Zoll-Anhebungen belasteten den weiteren Verlauf der Konjunktur in Deutschland”, erklärte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Deshalb dürfte die Wirtschaft “schon im Sommer” wieder schrumpfen.
Die Bundesbank rechnet mit einem Dämpfer bereits im laufenden Frühjahrsquartal. “Insgesamt bleibt der kurzfristige Ausblick für das Exportgeschäft und die Industrie angesichts der Zollpolitik der US-Regierung trüb”, heißt es im Monatsbericht.
Das Konjunkturbarometer des DIW-Instituts fiel im April nach vier Anstiegen in Folge auf den niedrigsten Wert seit über zwei Jahren. Grund seien die “enorme Unsicherheit rund um die erratische Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump und die geplanten Gegenmaßnahmen der Europäischen Union”, erläuterten die Berliner Ökonominnen und Ökonomen.
Der scheidende Wirtschaftsminister Robert Habeck rechnet für das Gesamtjahr 2025 nur mit einer Stagnation, nach zuvor zwei Minusjahren. 2026 soll es dann zu 1,0 Prozent Wachstum reichen – auch durch die geplanten milliardenschweren Investitionen der neuen Bundesregierung in Infrastruktur und Aufrüstung.
Andere große Euro-Länder sind ebenfalls mit Wachstum ins Jahr gestartet. Frankreich schaffte aber nur ein mageres Plus von 0,1 Prozent im ersten Vierteljahr, Italien von 0,3 Prozent. Die spanische Wirtschaft legte sogar um 0,6 Prozent zu. Spanien habe seinen “Status als europäische Wachstumslokomotive” erneut behaupten können, betonte VP-Experte Gitzel. “Der europäische Norden kann derweil von solch hohen gesamtwirtschaftlichen Expansionsraten nur träumen.” Die Südländer dürften erneut von einer guten Tourismussaison profitieren. “Exportabhängige Länder werden derweil mit Hoffen und Bangen nach Washington schauen.” Denn hohe US-Zölle könnten insbesondere in der deutschen Volkswirtschaft deutliche Schäden hinterlassen.
In Deutschland zeigt sich, dass Konjunkturflaute und Unsicherheit längst den Jobmarkt erreicht haben. So sank die Zahl der Arbeitslosen im April nicht so stark wie sonst in diesem Monat üblich. “Die Frühjahrsbelebung fällt auch im April vergleichsweise schwach aus”, sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, in Nürnberg. Die Behörde registrierte 2,932 Millionen Arbeitslose – 36.000 weniger als im März, aber 182.000 mehr als vor einem Jahr.
(Weitere Reporter: Christian Krämer und Holger Hansen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)