– von Tom Balmforth
Moskau/Kiew (Reuters) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt sich zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Präsident Wladimir Putin bereit und geht damit auf dessen Vorschlag ein.
“Ich werde Putin am Donnerstag in der Türkei erwarten. Persönlich. Ich hoffe, dass die Russen dieses Mal nicht nach Ausreden suchen”, schrieb Selenskyj am Sonntag auf der Kurznachrichtenplattform X. Putin hatte zuvor Friedensgespräche zwischen beiden kriegführenden Staaten vorgeschlagen. Die Verhandlungen ohne Vorbedingungen sollten am Donnerstag in Istanbul beginnen, sagte Putin in einer Fernsehansprache, die in der Nacht zum Sonntag europäischer Zeit und damit zur besten Sendezeit am Samstagabend in den USA übertragen wurde.
Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hatten am Samstag bei einem Überraschungsbesuch bei Selenskyj in Kiew Putin zu einer 30-tägigen Waffenruhe ab Montag aufgefordert. Sie hatten dafür Unterstützung der USA und weiterer europäischer Staaten erhalten. Putin reagierte darauf mit seiner Fernsehansprache, die zunächst bei Selenskyj und anderen europäischen Spitzenpolitikern skeptische Reaktionen hervorrief.
Doch dann forderte US-Präsident Donald Trump auf seiner Mitteilungsplattform Truth Social Selenskyj auf, das von Putin vorgeschlagene Treffen in der Türkei anzunehmen. “Putin will keine Waffenruhe mit der Ukraine, sondern er will stattdessen ein Treffen am Donnerstag in der Türkei, um über ein mögliches Ende des BLUTBADES zu verhandeln”, schrieb Trump zwar, fügte aber hinzu: “Die Ukraine sollte dem zustimmen, und zwar SOFORT.” Dann würden beide Seiten zumindest feststellen, ob eine Einigung möglich sei. Falls nicht, hätten Europa und die USA zumindest ein Bild der Lage “und können entsprechend vorgehen”, schrieb Trump.
Selenskyj pochte auch nach seiner Ankündigung, in die Türkei zu reisen, auf eine Waffenruhe ab Montag. Falls Russland dagegen verstoße, werde die Ukraine in gleicher Weise antworten. Merz betonte: “Erst müssen die Waffen schweigen, dann können Gespräche beginnen.” Macron bezeichnete den Vorschlag als ersten Schritt, der aber nicht ausreiche. Putin versuche, Zeit zu gewinnen, sagte Macron auf seiner Rückreise aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Trump erklärte, ein großer Tag breche für Russland und die Ukraine an, wenn das “Blutbad” beendet werden könne.
Wenn Russland nun Gesprächsbereitschaft signalisiere, sei dies zunächst ein gutes Zeichen, aber es sei “bei weitem nicht hinreichend”, teilte Merz mit. “Wir erwarten von Moskau, dass es jetzt einem Waffenstillstand zustimmt, der echte Gespräche überhaupt erst ermöglichen kann.” Wichtig sei nun ein 30-tägiger Waffenstillstand, um Raum für Verhandlungen zu schaffen. Die Ukraine habe dem bereits “ohne Wenn und Aber” zugestimmt.
PUTIN PLÄDIERT FÜR DIREKTE GESPRÄCHE IN ISTANBUL
Putin beriet mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan telefonisch über einen Start der Gespräche in der türkischen Metropole Istanbul in wenigen Tagen, wie beide Seiten bestätigten. Erdogan ist seinem Büro zufolge bereit, Verhandlungen auszurichten. In einem separaten Telefonat mit Macron sagte Erdogan laut türkischen Angaben, es sei “ein historischer Wendepunkt” erreicht worden und die Gelegenheit müsse genutzt werden.
“Wir schlagen vor, dass Kiew die direkten Verhandlungen ohne Vorbedingungen wieder aufnimmt”, sagte Putin in seiner Rede. Russland wolle diese Gespräche mit der Ukraine, um “die Ursachen des Konflikts zu beseitigen” und “die Wiederherstellung eines langfristigen, dauerhaften Friedens zu erreichen”, sagte Putin.
“Es war nicht Russland, das die Verhandlungen im Jahr 2022 abgebrochen hat”, erklärte Putin und verwies auf gescheiterte Gespräche kurz nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022. “Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch, die Entscheidung liegt jetzt bei der ukrainischen Regierung.” Die russischen Streitkräfte kontrollieren rund ein Fünftel der Ukraine und rücken weiter vor. Bereits vor dem Großangriff 2022 hatte Russland Separatisten im Osten der Ukraine unterstützt und die ukrainische Halbinsel Krim annektiert.
TRUMP: BEMÜHE MICH MIT UKRAINE UND RUSSLAND UM KRIEGSENDE
US-Präsident Trump zeigte sich willens, den Friedensprozess zu fördern und will dafür mit beiden Seiten zusammenarbeiten, wie er auf seiner Plattform Truth Social mitteilte.
Der neue Papst Leo XIV rief in seiner ersten Sonntagspredigt zum Frieden auf. “Nie wieder Krieg”, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche vor mehr als 100.000 Menschen auf dem Petersplatz. Der 69-Jährige sagte, er trage das “Leiden des geliebten ukrainischen Volkes” im Herzen. Er plädierte für Verhandlungen für einen “echten, gerechten und dauerhaften Frieden”.
Die Europäer und die USA hatten Russland am Samstag zu einer 30-tägigen Waffenruhe in der Ukraine ab Montag gedrängt. Merz, Macron, Starmer und Tusk pochten bei ihrem Überraschungsbesuch in Kiew auf ein Aussetzen der Kämpfe und lehnten russische Vorbedingungen ab. Es gehe um eine “bedingungslose” Waffenruhe, betonte das Quartett nach Beratungen mit Selenskyj sowie einer Videoschalte mit Staats- und Regierungschefs von fast zwanzig weiteren Staaten. Danach informierten sie Trump telefonisch, der das europäische Vorgehen nach Angaben von Merz und Macron ausdrücklich unterstützte.
(Bericht von Tom Balmforth, Marina Bobrova, Dmitry Antonov, Lidia Kelly, Anastasia Lyrchikova, Felix Light, Elizabeth Piper, Huseyin Hayatsever und Andreas Rinke; geschrieben von Klaus Lauer, Hans Busemann und Jörn Poltz.; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)