Erneut zahlreiche Tote bei israelischen Angriffen im Gazastreifen

Kairo (Reuters) – Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind am Donnerstag nach Angaben palästinensischer Mediziner mindestens 60 Menschen getötet worden.

Die meisten Opfer, darunter Frauen und Kinder, kamen in Chan Junis im Süden des Küstengebiets bei Luftangriffen auf Häuser und Zelte ums Leben, wie es weiter hieß. Unter den Toten war demnach auch der lokale Journalist Hassan Samour, der für den von der Hamas betriebenen Radiosender Aksa arbeitete und zusammen mit elf Familienmitgliedern bei einem Angriff auf ihr Haus getötet worden sei.

Die Hamas erklärte, die neue israelische Eskalation sei ein “verzweifelter Versuch, unter Beschuss zu verhandeln”, während die Bemühungen um ein Waffenstillstandsabkommen liefen. In einer Zeit, in der Vermittler intensive Anstrengungen unternähmen, um die Verhandlungen wieder auf den richtigen Weg zu bringen, reagier Israel auf diese Bemühungen mit militärischem Druck auf unschuldige Zivilisten, hieß es in einer Erklärung der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation. “Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will einen unbefristeten Krieg, und das Schicksal seiner Geiseln ist ihm gleichgültig.”

Eine Stellungnahme des israelischen Militärs lag zunächst nicht vor. Israel hat seine Offensive im Gazastreifen verstärkt, um die Hamas als Vergeltung für das Massaker der Islamisten-Organisation auf Israel am 07. Oktober 2023 zu vernichten. Die jüngsten Angriffe fielen auf den Tag, an dem die Palästinenser der “Nakba” oder Katastrophe gedenken, als während des Nahostkriegs 1948, der zur Gründung des Staates Israel führte, Hunderttausende Menschen aus ihren Heimatstädten und Dörfern flohen oder zur Flucht gezwungen wurden.

Da die meisten der 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen Binnenvertriebene sind, sagen einige Bewohner, ihr Leid sei jetzt größer als während der Nakba. “Was wir jetzt erleben, ist noch schlimmer als die Nakba von 1948”, sagte Ahmed Hamad, ein Palästinenser in Gaza-Stadt, der mehrfach vertrieben wurde. “Die Wahrheit ist, wir leben in einem ständigen Zustand von Gewalt und Vertreibung. Wohin wir auch gehen, wir werden angegriffen. Der Tod umgibt uns überall.”

HOFFNUNG AUF TRUMP BISLANG UNERFÜLLT

Die von der Hamas kontrollierte palästinensische Gaza-Gesundheitsbehörde berichtet, dass die israelischen Angriffe zugenommen hätten, seit US-Präsident Donald Trump am Dienstag einen Besuch in den Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten begann – Länder, von denen viele Palästinenser gehofft hatten, sie würden sich für eine Waffenruhe einsetzen. Erst am Mittwoch waren bei israelischen Angriffen im Gazastreifen nach Angaben lokaler Gesundheitsbehörden mindestens 80 Menschen getötet worden.

Trotz neuer indirekter Gespräche zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe – geführt von Trumps Gesandten zusammen mit katarischen und ägyptischen Vermittlern in Doha – wurden kaum Fortschritte erzielt. Die Hamas hat sich bereiterklärt, alle verbleibenden Geiseln im Gegenzug für ein Ende des Krieges freizulassen. Israels Ministerpräsident Netanjahu bevorzugt indes eine vorübergehende Waffenruhe. Er hat erklärt, der Krieg könne erst enden, wenn die Hamas vernichtet sei.

Israel marschierte als Vergeltung für das von der Hamas verübte Massaker im Oktober 2023, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1200 Menschen getötet und 251 als Geiseln verschleppt wurden, in den palästinensischen Küstenstreifen ein. Seitdem sind bei dem israelische Militäreinsatz nach Angaben lokaler Gesundheitsbehörden mehr als 52.900 Palästinenser im Gazastreifen getötet worden. Hilfsorganisationen und internationale Behörden zufolge steht das dicht besiedelte Gebiet am Rande einer Hungersnot.

Seit dem 2. März hat Israel keine humanitäre Hilfe mehr in den Gazastreifen gelassen, wo Experten zufolge eine halbe Million Menschen – etwa einem Viertel der Bevölkerung – vom Hungertod bedroht ist. Eine von den USA unterstützte Hilfsorganisation plant, Ende Mai mit der Arbeit in dem Gebiet zu beginnen, um die Not zu lindern. Israel wurde aufgefordert, den Vereinten Nationen und anderen Organisationen zu erlauben, in der Zwischenzeit die Hilfslieferungen an die Palästinenser wieder aufzunehmen.

(Bericht von Nidal al-Mughrabi; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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