EZB-Protokolle: Währungshüter rechnen mit Inflation auf der Zielgeraden

Frankfurt (Reuters) -Die Währungshüter der EZB wähnen sich auch angesichts kurzfristig preisdämpfender Folgen des Zollkonflikts bei der Inflation auf der Zielgeraden. Die Kräfte, die für ein Abebben der Teuerung sorgten, dominierten auf kurze Sicht, hieß es in dem Dokument zur Zinssitzung am 16. und 17. April, das die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag veröffentlichte. “Die Mitglieder äußerten mit größerer Zuversicht, dass die Inflation mittelfristig wieder den Zielwert erreichen werde und dass der Kampf gegen den Inflationsschock fast beendet sei,” heißt es darin. Einige Ratsmitglieder argumentierten allerdings dahingehend, dass ein Handelskrieg auf längere Sicht die Inflation anfachen könnte.

Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Diesem Ziel ist sie bereits sehr nahe gekommen. Im April lag die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 2,2 Prozent. Noch im Herbst 2022 hatte die Inflation zeitweise bei über zehn Prozent gelegen.

“Angesichts der vielfältigen Meinungen, die während der Sitzung vorgebracht wurden, gibt das Protokoll sehr wenig Hinweise auf die nächsten Schritte der EZB”, kommentierte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski die Protokolle. Selbst wenn die Zollbefürchtungen nachgelassen hätten, ist der anhaltend rückläufige Inflationsdruck für die EZB aus seiner Sicht ausreichend, um auf der kommenden Juni-Sitzung die Zinsen erneut zu senken, führte Brzeski aus.

EZB SOLL PFEILER DER STABILITÄT SEIN

Die Währungshüter hatten nach dem Zollgewitter von US-Präsident Donald Trump auf der April-Zinssitzung die Schlüsselsätze erneut herabgesetzt. Es war bereits das siebte Mal seit Juni 2024. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, der Leitzins, liegt seitdem bei 2,25 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hielt sich auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss dazu bedeckt, wie es mit den Leitzinsen weitergehen soll. Der nächste Zinsentscheid der Währungshüter steht am 5. Juni an. Am Finanzmarkt wird die Wahrscheinlichkeit als sehr hoch eingestuft, dass die EZB dann erneut die Zinsen um einen Viertelprozentpunkt senken wird.

Auf der April-Zinssitzung wiesen Währungshüter auf die Notwendigkeit hin, dass die EZB in diesen turbulenten Zeiten ein Pfeiler der Stabilität sein müsse. In einem bereits schwankenden Börsenumfeld dürfe die Notenbank nicht für noch mehr Überraschungen sorgen. Manche Euro-Wächter wiesen laut Protokoll aber auch auf die Gefahr hin, dass über die kurze Sicht hinaus ein Handelskrieg die Inflation anheizen könnte. Denn globale Wertschöpfungsketten würden dadurch aufgebrochen. Dies könne dann die inflationsdämpfenden Folgen, die sich aus einer schwachen Konjunktur ergeben, konterkarieren, warnten sie.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Reinhard Becker und Christian Rüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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