Bundesbank-Chef Nagel: Sollten in der Geldpolitik vorsichtig bleiben

Banff (Reuters) – Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat sich für eine Fortsetzung der umsichtigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen.

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktvolatilitäten wären Vorfestlegungen in der Geldpolitik jetzt geradezu fahrlässig, sagte Nagel am Donnerstag auf einer Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Lars Klingbeil beim Treffen der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) im kanadischen Ferienort Banff. Es könne noch relativ viel passieren bis zur nächsten Zinssitzung. “Vor dem Hintergrund der weiterhin hohen Unsicherheiten sollten wir deshalb in der Geldpolitik vorsichtig bleiben,” sagte er. Der bisherige Ansatz habe gut funktioniert, in einer schwierigen Finanzmarktumgebung von Sitzung zu Sitzung neu zu entscheiden auf Basis von jeweils neuen Daten.

Der nächste Zinsentscheid der EZB steht am 5. Juni an. Am Finanzmarkt wird aktuell die Wahrscheinlichkeit auf über 90 Prozent taxiert, dass die EZB dann erneut die Zinsen senken wird. Es wäre das achte Mal seit Mitte 2024. Aktuell liegt der Einlagensatz, der Leitzins im Euroraum, bei 2,25 Prozent. “Ein Niveau, das sicherlich nicht mehr als restriktiv bezeichnet werden kann”, sagte Nagel. Ein Zinsniveau gilt dann als restriktiv, wenn es eine Volkswirtschaft bremst. Nagel zufolge wird die EZB noch in diesem Jahr ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreichen. “Das ist eine gute Nachricht”, sagte er. Im April lag die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 2,2 Prozent. Das EZB-Inflationsziel liegt damit in greifbarer Nähe.

NICHT WEIT WEG VON DER KERNSCHMELZE

Zu den Börsenturbulenzen bei US-Staatsanleihen Anfang April sagte Nagel, man habe erlebt, was es bedeuten könne, wenn es möglicherweise Zweifel gebe am Reservestatus der US-Staatspapiere. “Manchmal hatte ich an bestimmten Tagen dort das Gefühl, wir sind nicht weit weg von der Kernschmelze an den Finanzmärkten,” sagte er. Deshalb sei es wichtig, dass es jetzt wieder eine stabile Situation gebe, die Märkte sich wieder erholt haben. “Aber ich denke, das war ein Fingerzeig, wie wichtig es ist, dass wir das im Blick haben.” Er fügte hinzu: “Und das hat natürlich auch die US-Seite gesehen.” Die Botschaft im April sei so stark gewesen, dass das bei allen Beteiligten angekommen sei.

Bei den US-Staatsanleihen war es Anfang April zu massiven Kursturbulenzen gekommen. Unter anderem hatten Befürchtungen für Unruhe gesorgt, China könnte im Zuge eines eskalierenden Handelskriegs mit dem Verkauf von Teilen seiner hohen Bestände an US-Anleihen kontern. Auch Hedgefonds hatten Experten zufolge eine wichtige Rolle bei den Kursverwerfungen am Markt gespielt.

(Bericht von Frank Siebelt und Christian Krämer; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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