– von Andreas Rinke und Markus Wacket
Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Friedrich Merz sieht Deutschlands Wirtschaft nach den ersten Wochen der schwarz-roten Regierung im Aufwind.
“Wir haben die Wende eingeleitet und dafür auch die notwendigen Wachstumsimpulse gesetzt”, sagte der CDU-Chef am Freitag bei der traditionellen Kanzler-Sommerpressekonferenz in Berlin. Die Stimmung verbessere sich und die ersten Wirtschaftsinstitute korrigierten ihre Wachstumserwartungen nach oben. Darauf werde man sich aber nicht ausruhen. “Deutschland ist stark genug, um diese Aufgaben auch aus eigener Kraft lösen zu können”, betonte Merz. Es gebe zu viele Zweifel. Dabei sei das Glas in Deutschland nicht nur halb voll – “es ist drei Viertel voll”.
Der Kanzler nutzte seinen Auftritt vor den Hauptstadt-Journalisten zu einer Bilanz der ersten Wochen seiner Amtszeit. Dabei betonte er, dass es die Koalition trotz eines Streits über die geplatzte Wahl neuer Verfassungsrichter geschafft habe, alle ihre Projekte bisher durchzubringen. Er betonte vor allem die verbesserten Standortbedingungen durch das große Investitionsprogramm mit dem sogenannten Sondervermögen Infrastruktur sowie den Abbau bürokratischer Lasten. Im Herbst stehe nun die Reform der Sozialversicherungen an.
Er sagte zu, dass es sein Ziel sei, die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge bei dem jetzigen Niveau von 42 Prozent zumindest zu halten, wenn nicht zu senken. Im Herbst komme die mit der SPD abgesprochene Reform des Bürgergelds, wodurch es mehr Einsparmöglichkeiten gebe als zuletzt öffentlich genannt. Merz bezog sich auf Aussagen von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), dass nur ein oder zwei Milliarden Euro einzusparen seien. Die Union hatte im Wahlkampf von zweistelligen Milliardenbeträgen gesprochen.
Mit Blick auf die Sozialversicherungen räumte Merz ein, dass die versicherungsfremden Leistungen etwa in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu hoch seien. Eine Übernahme der Finanzierung durch den Haushalt werde aber die grundlegenden Probleme nicht lösen. Man müsse auch fragen, ob es nicht mehr Eigenleistung der Bürger geben müsse. Da man in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode schwierige Sozialreformen wahrscheinlich nicht mehr umsetzen könne, brauche man Tempo. Deshalb hoffe er, dass es parallel zu den einzusetzenden Kommissionen auch schon eine politische Debatte über Reformen gebe. “Die Demografie wartet nicht. Sie ist da und die Probleme müssen wir schneller lösen, als wir sie im Augenblick meinen lösen zu können”, sagte der Kanzler mit Blick auf die Alterung der Bevölkerung in Deutschland.
Mit Verweis auf ein Treffen mit internationalen Finanzvertretern am Dienstag erklärte Merz, dass er erstaunt sei, wie positiv Deutschland von außen als Investitionsstandort gesehen werde. Am Montag will er sich mit Vertretern deutscher Konzerne treffen, um über deren Investitionspläne zu sprechen.
Der Kanzler spielte zudem jüngste Differenzen in der schwarz-roten Koalition herunter, wie etwa beim Richter-Streit. “CDU, CSU und SPD werden eine ganz normale Arbeitsbeziehung haben”, sagte er. “Denn wir wissen, welchen Auftrag wir haben. Dann gehören eben auch Höhen und Erfolge genauso dazu wie auch gelegentliche Rückschläge.” Aber man gehe in dieser Koalition “fair und partnerschaftlich” miteinander um.
Eine Woche nach der geplatzten Verfassungsrichter-Wahl im Bundestag, die an Bedenken in der Unionsfraktion gegen die von der SPD nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf gescheitert war, fügte er hinzu: “Wir haben uns verabredet, das beim nächsten Mal besser vorzubereiten.” Nun müsse man in Ruhe miteinander sprechen. “Ich vertraue darauf, dass die beiden Fraktionen das gut machen.”
Während die Grünen scharfe Kritik an Merz übten, kam vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) Lob: “Die neue Bundesregierung ist mit Tempo und ersten wirtschaftspolitischen Impulsen in ihre Amtszeit gestartet”, teilte ZDH-Präsident Jörg Dittrich mit. Das Investitionssofortprogramm und der Wohnbau-Turbo seien positive Signale und griffen zentrale Forderungen des Handwerks auf. Sie könnten allerdings nur der Auftakt für weitere dringend notwendige Reformen sein. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warf Merz vor, dass die CDU mit dem Eklat um die Richter-Wahl “zum Risikofaktor in der aktuellen Bundesregierung” geworden sei. Und auch inhaltlich liefere Merz mit seiner Koalition nicht das, was möglich und nötig wäre.
(Mitarbeit: Christian Krämer; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)