– von Tim Kelly und John Geddie und Kantaro Komiya
Tokio (Reuters) – Die größte Überraschung bei der Oberhauswahl am Sonntag in Japan dürfte das starke Abschneiden der rechten Partei Sanseito sein.
Sie macht insbesondere mit ihrer Kampagne “Japan Zuerst”, Warnungen vor einer “stillen Invasion” durch Einwanderer und der Forderung nach Steuererleichterungen von sich reden. Mit “Japan Zuerst” wolle man den Widerstand gegen die Globalisierung zum Ausdruck bringen, um die Lebensgrundlage der Japaner wiederherzustellen, sagte Parteichef Sohei Kamiya nach der Abstimmung dem Sender Nippon Television. Eine grundsätzliche Ausländerfeindlichkeit verneinte er: “Ich sage nicht, dass wir die Einwanderung komplett stoppen oder dass jeder Ausländer Japan verlassen sollte.”
Die Partei entstand während der Covid-Pandemie auf der Videoplattform YouTube. Dort verbreitete sie zunächst Verschwörungstheorien über Impfungen und die angeblichen Machenschaften globaler Eliten. Mit 400.000 Abonnenten hat der YouTube-Kanal der Partei heute mehr als jede andere politische Kraft des Landes und dreimal so viele wie die Regierungspartei LDP von Ministerpräsident Shigeru Ishiba. Den Kern der Anhängerschaft bilden Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.
KONKUBINEN FÜR DEN KAISER
Der 47-jährige Kamiya – ein ehemaliger Supermarktmanager und Englischlehrer – sagte der Nachrichtenagentur Reuters vor der Abstimmung, er habe sich vom “kühnen politischen Stil” des US-Präsidenten Donald Trump inspirieren lassen. Er selbst hatte im Jahr 2022 den ersten Sitz für die Partei gewonnen. Für Aufsehen sorgte damals seine Andeutung, der Kaiser solle sich Konkubinen nehmen. Seitdem zeigt er sich bemüht, einige der kontroversesten Forderungen der Partei abzuschwächen.
Sanseito macht sich wie andere Oppositionsparteien für Steuersenkungen und eine Erhöhung des Kindergeldes stark. Ihr Hauptaugenmerk auf die Einwanderung hat die politische Debatte in Japan nach rechts verschoben. Kurz vor der Wahl kündigte die Regierung eine neue Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von “Straftaten und ordnungswidrigem Verhalten” durch Ausländer an. Kamiya sorgte während des Wahlkampfes für Kritik, als er die Politik zur Gleichstellung der Geschlechter als Fehler bezeichnete. Diese ermutige Frauen zur Arbeit und halte sie davon ab, Kinder zu bekommen, erklärte er.
Mit ihren Botschaften punktete die Partei bei Wählern, die von der angeschlagenen Wirtschaft und steigenden Preisen frustriert sind. Die schwache Landeswährung zog in den vergangenen Jahren zudem eine Rekordzahl von Touristen an, was zum Unmut der Bevölkerung die Teuerung weiter verschärfte. Umfragen zufolge machten sich die Wähler vor allem Sorgen um die soziale Sicherheit und die Inflation. Die Einwanderung kam mit sieben Prozent in der Liste der wichtigsten Themen an fünfter Stelle. Der Aufstieg von Sanseito sei “mehr eine Schwäche der Regierungspartei LDP und Ishibas als alles andere”, sagt Joshua Walker, Leiter der US-Denkfabrik Japan Society.
(Geschrieben von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)