Beirut (Reuters) – Der libanesische Präsident Joseph Aoun ruft die radikale und noch immer einflussreiche Hisbollah-Miliz und andere politische Gruppierungen auf, ihre Waffen an die Armee abzugeben.
“Es ist die Pflicht aller politischen Parteien …, diese historische Gelegenheit ohne Zögern zu ergreifen und darauf zu dringen, dass die Waffen ausschließlich in den Händen der Armee und der Sicherheitskräfte liegen und bei niemandem sonst”, sagte Aoun am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache im Verteidigungsministerium. Die mit dem Iran und der Hamas im Gazastreifen verbündete Hisbollah lehnt dies ab und argumentiert, die Forderung nach einer Entwaffnung würde nur Israel dienen. “Diejenigen, die zur Abgabe von Waffen aufrufen, verlangen praktisch, dass diese an Israel abgegeben werden. … Wir werden uns Israel nicht unterwerfen”, erklärte Hisbollah-Anführer Scheich Naim Kassem, erst am Mittwoch.
Die USA drängen den Libanon, einen formellen Kabinettsbeschluss zu fassen, in dem die Entwaffnung der Hisbollah beschlossen wird. Dies sei Voraussetzung dafür, dass Gespräche über eine Einstellung des israelischen Militäreinsatzes im Libanon wieder aufgenommen werden können, erklärten Insider.
Präsident Aoun sagte, ein Vorschlag an die USA, der dem Kabinett nächste Woche vorgelegt werden soll, besage, dass Israel seine Angriffe auf den Libanon einstellen und sich von seinen Stellungen im Süden des Landes zurückziehen solle. Zudem solle die Hisbollah ihre Waffen an die libanesische Armee übergeben. Der Vorschlag sieht vor, zehn Jahre lang jährlich eine Milliarde Dollar zur Unterstützung der Armee und der Sicherheitskräfte bereitzustellen. Außerdem sind Pläne für eine internationale Konferenz vorgesehen, die später im Jahr stattfinden soll, um die Wiederaufbaubemühungen im Libanon zu unterstützen.
Das israelische Militär hat gezielt eine ganze Reihe von Kommandeuren und Führungspersönlichkeiten der Hisbollah getötet, darunter im September 2024 den jahrzehntelang amtierenden Chef Hassan Nasrallah. Die Hisbollah ist sowohl Miliz als auch politische Partei im Libanon. Trotz ihrer Schwächung hat sie noch immer erheblichen Einfluss.
Die Hisbollah hatte im Zuge des Krieges im Gazastreifen den Norden Israels unter anderem mit Raketen beschossen, Zehntausende Bewohnerinnen und Bewohner mussten ihre Häuser verlassen. Bei israelischen Angriffen auf den Libanon wurden dort mehr als 1,2 Millionen Menschen vertrieben. Nicht nur der Südlibanon, wo die Hisbollah ihre Hochburgen hat, auch die Hauptstadt Beirut wurde von Israel immer wieder angegriffen. Zudem waren israelische Bodentruppen Ende September 2024 in den Südlibanon eingerückt.
Ein von den USA vermitteltes und am 27. November 2024 in Kraft getretenes Abkommen beendete die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah, die sich im Gaza-Krieg solidarisch mit der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas erklärt hat. Im Rahmen des Abkommens sollten die israelischen Truppen binnen 60 Tagen aus dem Libanon abziehen. Die Hisbollah-Kämpfer sollten sich aus dem Süden des Libanons in den Norden bis hinter den Fluss Litani zurückziehen. Für die Sicherheit in dem so entstehenden etwa 30 Kilometer breiten Korridor zur Grenze zu Israel sollten das reguläre libanesische Militär und die UN-Friedenstruppe Unifil sorgen. Allerdings hat Israel – auch nach einer Fristverlängerung – nicht wie vereinbart seine Truppen abgezogen.
(Bericht von: Laila Bassam, Nayera Abdallah, Tala Ramadan, Sabine Ehrhardt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)