USA verschieben EU-Zölle – Deutsche Exporteure beklagen Unsicherheit

– von Rene Wagner

Berlin/Washington (Reuters) – Die US-Regierung verschiebt die gerade erst beschlossene Einführung neuer Zölle auf Importe aus der Europäischen Union um eine Woche.

Das Zollregime soll nun erst am 7. August und nicht wie ursprünglich geplant am 1. August gelten, wie die US-Regierung am Donnerstagabend (Ortszeit) in Washington bekanntgab. Es sieht einen Zollsatz von 15 Prozent auf Einfuhren aus der EU vor. In der deutschen Wirtschaft stößt das Hin und Her auf scharfe Kritik. Zugleich kündigte US-Präsident Donald Trump hohe Strafzölle gegen Dutzende Handelspartner an, darunter Kanada, Brasilien, Indien und die Schweiz. Dessen Anordnung listet für insgesamt 69 Länder höhere Einfuhrzölle zwischen zehn und 41 Prozent auf, die in sieben Tagen in Kraft treten sollen.

Die deutschen Wirtschaft äußerte scharfe Kritik am Vorgehen Trumps. “Schlimmer als die Zölle an sich ist für uns Händler inzwischen die Unsicherheit”, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, der Nachrichtenagentur Reuters. “Einigungen haben eine Halbwertszeit von unter einer Woche: Wenn Sie abends schlafen gehen, wissen Sie nicht, mit welchen Zöllen Sie am Morgen aufwachen.” Das sei Gift für die Exporte.

Trump hatte sich erst am vergangenen Sonntag mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf den Handelsdeal mit einem Zollsatz von 15 Prozent verständigt, nachdem die Amerikaner zuvor mit 30 Prozent gedroht hatten. Vor Trumps Amtsantritt im Januar lag der Zollsatz im unteren einstelligen Bereich, weshalb Waren “Made in Germany” dort deutlich teurer werden dürften. Die USA sind der wichtigste deutsche Handelspartner. Allein die Ausfuhren dorthin summierten sich 2024 auf mehr als 160 Milliarden Euro. “Wir sind auf längerfristige Verträge, auf verlässliche Preise und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und Kunden angewiesen”, sagte BGA-Präsident Jandura. “Nur so können wir garantieren, dass Lieferketten funktionieren.”

Wesentlich härter als die EU trifft es andere Handelspartner. Trumps Dekret sieht Zollsätze von 35 Prozent für viele Waren aus Kanada, 50 Prozent für Brasilien, 25 Prozent für Indien, 20 Prozent für Taiwan und 39 Prozent für die Schweiz vor. Einige Handelspartner hätten “trotz Verhandlungen Bedingungen angeboten, die meiner Einschätzung nach die Ungleichgewichte in unseren Handelsbeziehungen nicht ausreichend beheben oder die sich nicht ausreichend mit den Vereinigten Staaten in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen abgestimmt haben”, hieß es zur Begründung in der Anordnung. Trump stellte zudem weitere Abkommen in Aussicht, um die US-Handelsdefizite zu verringern und die heimische Produktion zu stärken.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht das Vorgehen äußerst kritisch. “Wenn sich die Zollspirale für viele Länder weiterdreht, hat das auch negative Folgen für die international vernetzte deutsche Wirtschaft”, sagte DIHK-Expertin Melanie Vogelbach. “Bei unseren Exporteuren herrscht weiter Unsicherheit, bei Preisen, Verträgen und Planung.” Die EU müsse nun erst recht die Wettbewerbsfähigkeit stärken – etwa durch neue Partnerschaften, Bürokratieabbau sowie spürbare Entlastungen bei Steuern und Energie.

“SCHWEIZER UHRENINDUSTRIE UNTER DEN LEIDTRAGENDEN”

Deutschlands Nachbar Schweiz – zugleich ein wichtiger Handelspartner – setzt im Zollstreit mit den USA auf eine Verhandlungslösung. Der Bundesrat werde die neue Sachlage analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden, teilte der Rat im Kurznachrichtendienst X mit. “Die Schweiz war und ist im Kontakt mit den verantwortlichen Stellen in den USA. Sie strebt weiterhin eine Verhandlungslösung mit den USA an, die sowohl mit der Schweizer Rechtsordnung als auch den bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen vereinbar ist.”

Die USA sind für die Schweiz das wichtigste Exportland. Knapp 20 Prozent der eidgenössischen Ausfuhren gehen über den Atlantik, was einem Warenwert von 57 Milliarden Franken entspricht, wie der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, vorrechnete. “Mildernd wirkt, dass rund die Hälfte der Exporte auf Pharmaprodukte entfallen, die bislang von Zöllen ausgenommen sind”, sagte der Experte. “Leidtragende sind damit die Uhrenindustrie, die Maschinenbauer und vor allem auch die Lebensmittelindustrie.”

Besonders hart trifft die Zollmaßnahme auch den direkten Nachbarn der USA: Kanada. Die Zölle auf viele Güter werden auf 35 Prozent angehoben. Zur Begründung hieß es, Kanada habe bei der Bekämpfung des Fentanyl-Schmuggels in die USA “nicht kooperiert”. Im scharfen Gegensatz dazu steht die Entscheidung, dem zweiten großen US-Handelspartner Mexiko einen Aufschub von 90 Tagen zu gewähren, um weitere Verhandlungen zu ermöglichen. Einer Anhebung der Zölle auf 30 Prozent entgeht Mexiko damit vorerst. Die für den 1. August angekündigte Zollerhöhung für Mexiko sei vermieden worden, schrieb Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum in einem Beitrag in den sozialen Medien und fügte hinzu, dass das Gespräch mit Trump “sehr gut” gewesen sei.

Den höchsten Zollsatz von 50 Prozent verhängte Trump gegen Brasilien, schloss davon jedoch Sektoren wie Flugzeuge und Energie aus. Als Grund gilt die Strafverfolgung des früheren brasilianischen Präsidenten und Trump-Freundes Jair Bolsonaro. Weitere Spitzenzollsätze erhielten Syrien mit 41 Prozent, Laos und Myanmar mit 40 Prozent und der Irak mit 35 Prozent.

Für Indien gilt künftig ein Zollsatz von 25 Prozent, nachdem Verhandlungen über den Zugang zum indischen Agrarmarkt ins Stocken geraten waren. Die taiwanische Regierung hat den nun für die Insel geltenden Zollsatz von 20 Prozent als “vorübergehend” bezeichnet und will über einen niedrigeren Wert verhandeln. “Sobald eine endgültige Einigung erzielt ist, wird der Zollsatz voraussichtlich weiter gesenkt werden”, heißt es in einer Erklärung des Kabinetts.

Die rechtliche Grundlage für die Zölle ist umstritten. Trump beruft sich auf ein Notstandsgesetz von 1977, den International Emergency Economic Powers Act, um wegen des wachsenden Handelsdefizits der USA einen Notstand ausrufen zu können und seine “reziproken” Zölle sowie einen separaten Fentanyl-Notstand zu verhängen. Ein US-Handelsgericht hatte jedoch im Mai geurteilt, dass er damit seine Befugnisse überschreitet. Auch Richter eines Berufungsgerichts zeigten sich bei einer Anhörung skeptisch.

(Mitarbeit: Doina Chiacu, Susan Heavey, Aftab Ahmed, redigiert von Christian Rüttger und Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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