Nürnberg/Berlin (Reuters) – Trotz des Ukraine-Kriegs und Lieferengpässen hat der deutsche Arbeitsmarkt im Mai weiter Rückenwind.
Die Zahl der Arbeitslosen ging zum Vormonat um 50.000 auf 2,26 Millionen zurück, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag mitteilte. Saisonbereinigt sank sie um 4000: “Das ist zwar spürbar weniger als zuletzt, dennoch außerordentlich positiv”, erklärte BA-Chef Detlef Scheele in Nürnberg. Die Frühjahrsbelebung falle dieses Jahr generell etwas geringer aus, weil auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Winter kleiner gewesen sei als sonst. Die Arbeitslosenquote sank leicht auf 4,9 Prozent und damit erstmals seit Dezember 2019 wieder unter die Fünf-Prozent-Marke.
“Das ist schon mal ein Wort, bei so einer Arbeitslosenquote zu landen, nach den pandemischen Jahren, die hinter uns liegen”, erklärte Scheele. Der Ukraine-Krieg und Lieferengpässe belasteten zwar die Aussichten. Andererseits profitierten Handel und Dienstleistungen vom Ende der coronabedingten Einschränkungen. Die Beschäftigung nehme weiter zu und die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften bewege sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. In fast allen Branchen sei die Beschäftigung höher als im Vorjahr. Häufig würden sogar Höchststände erreicht – vor allem in Dienstleistungssektor. Auch im Verarbeitenden Gewerbe wachse die Beschäftigung wieder leicht.
Zugleich zeigten sich erste Folgen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf dem Arbeitsmarkt, sagte Scheele. Seit Kriegsbeginn sei die Zahl der Arbeitslosen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft spürbar gestiegen – allein von April auf Mai um fast 6000. Aus der Ukraine geflohene Bürger erhalten ab Juni Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Bislang werden sie wie Asylbewerber versorgt. Ab Mittwoch sind die Jobcenter für die Betreuung zuständig, was sich laut Scheele auch in der Arbeitsmarktstatistik niederschlagen wird.
“Mit der jetzt gefundenen Übergangsregelung, die über drei Monate läuft, ist sichergestellt, dass die Geflüchteten ihre Leistungen nahtlos bekommen”, versicherte Scheele. Trotzdem könne es in großen Städten an der einen oder anderen Stelle noch knirschen: “Wir erwarten ein Vielfaches des üblichen Antragsvolumens in der Grundsicherung für einen Juni.” Im Zuge der weiteren Entwicklung sei zu erwarten, dass die Arbeitslosigkeit weniger sinke und “möglicherweise auch zu einem Kipp-Punkt auf null” komme, abhängig davon, wie viele Flüchtlinge kämen. Grundsätzlich bleibe die BA mit Blick auf das Arbeitsmarktgeschehen optimistisch. Das Kurzarbeitergeld habe bislang sehr dabei geholfen, die Pandemiekrise zu überstehen.
RÜCKKEHR ZUR NORMALITÄT
Die Inanspruchnahme von konjunktureller Kurzarbeit und die Zahl der von Kurzarbeit-Anzeigen betroffenen Beschäftigten ist laut BA zuletzt zurückgegangen. Im März 2022 waren nach vorläufigen Angaben 1,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in konjunktureller Kurzarbeit, nach 2,3 Prozent im Vormonat und 8,4 Prozent im Vorjahr. Im April 2020, dem Monat mit der höchsten Inanspruchnahme in der Corona-Pandemie, lag die Kurzarbeiterquote bei 17,9 Prozent. Laut Scheele veranschaulichen die Zahlen, “wie viel Normalität mittlerweile zurückgekehrt ist an den Arbeitsmarkt”.
Bleibt der befürchtete Abbruch der russischen Gaslieferungen aus, wird sich laut KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib der Aufschwung am Arbeitsmarkt voraussichtlich fortsetzen. Ein Grund dafür seien die vollen Auftragsbücher in der Industrie und in der Bauwirtschaft. Ein weiterer sei der Fachkräftemangel, der zum Frühjahrsbeginn abermals stark zugenommen habe: “Trotz Corona-Krise und Ukraine-Krieg waren Fachkräfte in den letzten 30 Jahren noch nie so knapp wie heute.”