Neu Delhi (Reuters) – Indien und China steuern auf eine Beilegung ihrer jahrelangen Grenzstreitigkeiten in der Himalaya-Region zu.
“Es gibt einen Aufwärtstrend”, sagte der indische Sicherheitsberater Ajit Doval am Dienstag zum Auftakt von Gesprächen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi in Neu-Delhi. “An den Grenzen herrscht Frieden und Ruhe.” Die bilateralen Beziehungen seien substanzieller geworden. Ein hochrangiger indischer Vertreter und eine weitere Person erklärten, Peking habe zugesagt, den indischen Bedarf an Seltenen Erden zu decken.
China und Indien, die beide über Atomwaffen verfügen, hatten sich 1962 einen kurzen Grenzkrieg geliefert. Sie haben die Streitigkeiten über den Grenzverlauf im Himalaya seither nicht beigelegt. Sie beanspruchen Tausende Quadratkilometer in einem Gebiet, das sich von den Schneewüsten in der Region Ladakh im Westen bis zu den Bergwäldern im Osten zieht. Schüsse sind in den vergangenen Jahren nicht gefallen, beide Staaten hatten sich geeinigt, auf den Gebrauch von Schusswaffen zu verzichten. Allerdings kam es immer wieder gewaltsamen Konfrontationen, bei denen auch Soldaten getötet wurden.
CHINA SAGT SELTENE ERDEN UND DÜNGEMITTEL ZU
Wang habe dem indischen Außenminister Subrahmanyam Jaishankar zugesichert, dass Peking sich um den indischen Bedarf an Düngemitteln, Seltenen Erden und Tunnelbohrmaschinen kümmern werde, verlautete aus indischen Kreisen. Wang soll im Laufe des Tages auch mit Ministerpräsident Narendra Modi zusammentreffen. Wenige Tage später wird Modi zu einem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) nach China reisen. Die Rückschläge der vergangenen Jahre seien nicht im Interesse der Menschen beider Länder gewesen, wurde Wang von der indischen Nachrichtenagentur ANI zitiert.
Die chinesische Zusage zielt auf eine strategische Schwachstelle Indiens. Das Land ist bei Magneten, die aus Seltenen Erden hergestellt werden, fast vollständig von Importen aus China abhängig. Diese Komponenten sind für die moderne Industrie von der Elektromobilität bis zur Rüstungstechnik unverzichtbar. Indien verfügt zwar über die fünftgrößten Reserven an Seltenen Erden, hat aber keine eigene nennenswerte Produktion von Magneten aufgebaut. Chinas Dominanz auf diesem Weltmarkt verschafft der Regierung in Peking einen erheblichen wirtschaftlichen und politischen Hebel.
Es bleibt jedoch abzuwarten, wie China seine Zusage umsetzen wird. Aus indischen Kreisen verlautete, Wang habe zugesichert, sich um den Bedarf Indiens zu kümmern. Unklar ist jedoch, ob dies schnellere Exportgenehmigungen oder gar Ausnahmeregelungen bedeutet. In der Vergangenheit hatte China ähnliche Versprechen gegenüber Europa und den USA gemacht, ohne jedoch sein strenges System der Exportkontrollen grundlegend zu lockern. Daten des chinesischen Zolls zeigen zudem, dass die Exporte von Magneten aus Seltenen Erden nach Indien im Juni um 58 Prozent unter dem Niveau vom Januar lagen.
(Bericht von Shilpa Jamkhandikar und Tanvi Mehta in Neu Delhi unter Mitarbeit von Lewis Jackson in Peking, geschrieben von Anneli Palmen; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)