(neu: Ukraine, Reaktionen, Einzelheiten)
– von Alexander Ratz
Berlin (Reuters) – Einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Sabotage-Akte gegen die Ostsee-Pipelines Nord Stream ist in Italien festgenommen worden.
Dabei handelt es sich um einen ukrainischen Staatsbürger, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Donnerstag mitteilte. Gegen Serhii K. liegt demnach ein europäischer Haftbefehl vor. Beamte der italienischen Carabinieri-Station in Misano Adriatico hätten den Gesuchten in der Nacht aufgespürt und festgenommen. Er werde des “gemeinschaftlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion” sowie der verfassungsfeindlichen Sabotage und der Zerstörung von Bauwerken dringend verdächtigt.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig sprach von einem “sehr beeindruckenden Ermittlungserfolg”. Einer der “mutmaßlichen Drahtzieher” der Sabotage sei damit festgenommen worden. “Die Sprengung der Pipelines muss aufgeklärt werden, auch strafrechtlich”, erklärte die SPD-Politikerin. “Deshalb ist es gut, dass wir dabei vorankommen.” Ein Vertreter des ukrainischen Präsidentenbüros erklärte, er könne sich nicht äußern, da unklar sei, wer festgenommen worden sei. Er bekräftigte, dass die Ukraine jegliche Beteiligung an den Explosionen bestreite. Die Regierung in Kiew hatte die Pipelines stets als Instrument der russischen Energiepolitik kritisiert, das es Europa erschwere, gegen Moskau vorzugehen.
Den weiteren Erkenntnissen der Ermittler zufolge gehörte Serhii K. zu einer Gruppe von Personen, die im September 2022 nahe der dänischen Insel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 platziert habe. Bei dem Beschuldigten handele es sich mutmaßlich um einen der Koordinatoren der Aktion, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. Für die Tat sei eine in Rostock gestartete Segeljacht genutzt worden, die über Mittelsmänner mit gefälschten Ausweispapieren bei einem deutschen Unternehmen gechartert worden sei.
Der Beschuldigte sollte nach seiner Überstellung aus Italien dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Die italienische Polizei bestätigte die Festnahme eines von Deutschland gesuchten Ukrainers in Zusammenhang mit Nord Stream, nannte aber keine weiteren Einzelheiten. Die Sprengsätze waren am 26. September 2022 detoniert, beide Pipelines wurden dabei schwer beschädigt. Durch Nord Stream wurde russisches Gas direkt nach Deutschland transportiert. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 stellte Deutschland die Abnahme der Lieferungen ein.
WAGENKNECHT FORDERT UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS IM BUNDESTAG
Bislang hat niemand die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Russland machte, ohne Beweise vorzulegen, westliche Sabotage für die Explosionen verantwortlich. Die USA haben eine Beteiligung zurückgewiesen. Während Dänemark und Schweden ihre Ermittlungen im Februar 2024 einstellten, ist Deutschland das einzige Land, das den Fall weiterverfolgt. Bekanntgeworden war dabei bisher, dass deutsche Ermittler eine Yacht untersucht hatten, auf der Spuren desselben Sprengstoffs gefunden wurden, der auch an den Explosionsorten unter Wasser nachgewiesen wurde.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht forderte als Konsequenz die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag. “Dieser staatsterroristische Akt muss endlich konsequent aufgeklärt werden”, sagte Wagenknecht der Nachrichtenagentur Reuters. “Es ist komplett abwegig, dass der nun Festgenommene und seine Mittäter ohne Rückendeckung der ukrainischen Führung und der damaligen Biden-Administration in den USA handelten.” Daher müsse auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor einem Untersuchungsausschuss aussagen. “Es ist völlig absurd, dass Deutschland viele Milliarden für Ukraine-Hilfen ausgibt, aber niemals Aufklärung von Selenskyj einforderte. Auch mögliche Entschädigungsfragen sollten sich stellen”, sagte die Chefin des Bündnisses Sahra Wagenknecht, deren Partei allerdings nicht im Bundestag vertreten ist.
(Mitarbeit Andreas Rinke, Giulio Piovaccari, Tom Balmforth, Stine Jacobsen; Redigiert von Kerstin Dörr; wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)