New York (Reuters) – Im Gazastreifen sind Hilfsorganisationen zufolge über eine halbe Million Menschen einer akuten Hungersnot ausgesetzt.
In der Region um die Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens bekämen rund 514.000 Menschen nicht genug zu essen, teilte die Organisation Integrated Food Security Phase Classification (IPC) am Freitag mit. Bis Ende September werde die Zahl der hungernden Menschen voraussichtlich auf 641.000 ansteigen. Die IPC ist eine Initiative von 21 Hilfsgruppen und UN-Organisationen, die unter anderem von der EU und Deutschland finanziert wird. Für die Einstufung als Hungersnot müssen mindestens 20 Prozent der Menschen unter extremer Nahrungsmittelknappheit leiden, jedes dritte Kind akut unterernährt sein und täglich 2 von 10.000 Menschen an Hunger oder den Folgen sterben.
Israel wies den Bericht als falsch und voreingenommen zurück. Die Untersuchung basiere auf einer Kampagne der radikalislamischen Hamas, teilte die Militärbehörde Cogat mit. In den vergangenen Wochen seien die örtlichen Märkte sogar mit Grundnahrungsmitteln überschwemmt worden. Israel plant die Einnahme von Gaza-Stadt und hat deswegen die Palästinenser aufgefordert, die Region zu verlassen.
UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, die Hungersnot sei eine “menschengemachte Katastrophe, eine moralische Anklage und ein Versagen der Menschheit selbst”. Er forderte einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln und ungehinderten Zugang in den Gazastreifen für humanitäre Hilfen. “Menschen hungern. Kinder sterben. Und diejenigen, die die Pflicht zum Handeln haben, versagen. (…) Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Lage ungestraft andauert.” Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warnte, der Einsatz von Hunger als Waffe sei ein Kriegsverbrechen.
Großbritannien, Kanada, Australien und viele europäische Staaten hatten bereits erklärt, die humanitäre Krise habe nach fast zwei Jahren Krieg zwischen Israel und der Hamas ein “unvorstellbares Ausmaß” erreicht. Israel kontrolliert den gesamten Zugang zum Gazastreifen und hat es damit in der Hand, Lebensmittellieferungen zu erlauben oder zu verbieten. Die UN beklagen seit langem Hindernisse bei der Lieferung und Verteilung von Hilfsgütern.
(Bericht von Michelle Nichols, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Thomas Seythal)